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Erfurter Herbstlese
Es lebe die Erfurter Herbstlese!
Okt. 20 2015

David Foenkinos im Staupitz-Saal des Augustinerklosters

Lob der Melancholie

Seinen Besuch bei der Frankfurter Buchmesse nutzte David Foenkinos für einen Abstecher nach Erfurt.
Seinen Besuch bei der Frankfurter Buchmesse nutzte David Foenkinos für einen Abstecher nach Erfurt.

Eigentlich, erzählt David Foenkinos, wollte er nur eine Bekannte besuchen. Die arbeitete in einem Museum in der französischen Hauptstadt. Dann schau‘ dir doch auch gleich die Ausstellung an, gab sie ihm mit auf dem Weg. Die Bilder, die er zu sehen bekam, trafen ihn mit voller Wucht. So, als hätten sie nur auf ihn gewartet.

David Foenkinos berichtet davon mit leiser, klarer Stimme. Zu Hause, in Frankreich, ist der Pariser ein Star der literarischen Szene. Seinen Besuch bei der Frankfurter Buchmesse hat die Herbstlese genutzt, um ihn auch nach Erfurt zu locken. Der Staupitz-Saal des Augustinerklosters ist gut gefüllt.

In den ersten Reihen sitzen auch einige Vertreter der französischen Gemeinde in Erfurt. Um die ist es letztens eher still geworden. Auch der Wechsel in der Leitung des Französischen Kulturbüros in Thüringen ist fast ohne Aufsehen geschehen. An der Stelle von Bertrand Leveaux führt jetzt sein Nachfolger Marc Sagnol in den Abend ein. Schnell übergibt er das Wort an Ruthard Stäblein, der die Moderation des Abends übernommen hat. Ihm zur Seite sitzen der Autor und Martin Schink, der wieder einmal die deutsche Lesung übernommen hat.

Stäblein, Journalist beim Hessischen Rundfunk, stellt David Foenkinos und sein Werk kurz vor. Schnell beginnen die beiden einen Dialog, der von zwei Themen getragen wird: Das Schicksal der jüdischen Künstlerin Charlotte Salomon, die, im fünften Monat schwanger, in Auschwitz ermordet wurde. Und die Frage, wie die Psyche eines Künstlers sein Werk bedingt. Genauer: Wann stiftet Melancholie Kreativität, wann Unheil für die Betroffenen.

Der Dialog von Stäblein und Foenkinos erinnert an das Buch. Zumindest, was die Antworten des Autors betrifft. Sie sind kurz gehalten und atmen ein wenig auch die Poesie des Textes. Der will der Biografie Charlotte Salomons gerecht werden, aber nicht biografisch sein. Er ist voller Poesie, aber, darauf besteht sein Schöpfer, kein Gedicht.

Dieser Eindruck kann schnell geschehen, endet doch mit jedem Punkt nicht nur der Satz, sondern auch die Zeile. Das macht diesen Text hochartifiziell – und auch angreifbar. Während einige Kritiker gerade diese Kunst verdammen, urteilen andere milder. Die ganze Sache würde sich doch ungeachtet der Form erstaunlich gut lesen lassen, stellte zum Beispiel Christine Westermann fest.

Diese Form zeigt den Respekt, mit dem sich David Foenkinos dem Leben der jungen Berlinerin gewidmet hat, aber auch seine Zuneigung. Er hätte, erklärt er dem Publikum, am liebsten sogar mit Atemzeichen gearbeitet. Die würden an den stärksten Stellen des Buches aber auch nicht helfen, wenn es dem Lesenden ob all der Tragik und Schwere den Atem zu nehmen droht.

Martin Schink stellt sich diesem nicht einfachen Vorlesen mit Bravour. Er macht es so gut, dass der Moderator ihn „Herrn Schlink“ nennt. Ein nachvollziehbarer Versprecher.

Aber auch Stäblein macht seine Sache gut. Seine Fragen und Stichworte bieten David Foenkinos die Möglichkeit zu launiger Antwort. So stellen denn beide dem düsteren Schicksal, von dem im Roman die Rede ist, Licht und Heiterkeit zur Seite. Bis hin zum Klamauk, wenn der Schriftsteller unter Heiterkeitsbekundungen des Auditoriums bekennt, in die deutsche Sprache verliebt zu sein. Mehr noch, er sie zur erotischsten Sprache der Welt erklärt. Dafür, so David Foenkinos, dass er die Schönheit des Deutschen in Nord und Süd, in Japan wie in Brasilien propagiere, gehöre ihm von Frau Merkel inzwischen ein Orden verliehen.

Nein, einen Orden gibt es an diesem Abend nicht. Aber für seine Protagonisten Schoko-Trüffel aus der Goldhelm-Manufaktur, wie immer bei der Herbstlese. Ein besonderes Geschenk hat das Auditorium für den Autor dann aber doch noch parat: Der Buchverkauf liegt deutlich über dem Festival-Durchschnitt.

David Foenkinos im Staupitz-Saal des Augustinerklosters

Fotos: Holger John

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