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Erfurter Herbstlese
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Okt. 01 2016

Claudia und Nadja Beinert entführen ihre Leser bei Hugendubel ins Mittelalter

Drei, zwei und eins – Bücher, Autorinnen und Meister

Es war bereits der dritte Streich der beiden Schwestern bei der Herbstlese.
Es war bereits der dritte Streich der beiden Schwestern bei der Herbstlese.

Von Linnea Müller (*)

Was hat Jon Bon Jovi mit der Entstehung eines Stifterchores im Spätmittelalter zu tun? Auf den ersten Blick nichts. Doch für alle diejenigen, die bei Hugendubel am Erfurter Anger einen Platz in der Veranstaltung für die Lesung mit den Zwillingsschwestern Claudia und Nadja Beinert ergattern konnten, löst sich dieses Rätsel schnell. Die beiden Autorinnen sind bei der 20. Erfurter Herbstlese zu Gast. Es ist ihr drittes Mal. Bereits ihre zwei vorangegangenen Bücher, an die sich nun ihr dritter Band „Der Sünderchor“ anschließt, stellten sie bei Thüringens größtem Literaturfestival vor.

In ihrem Buch „Der Sünderchor“ geht es um den „Naumburger Meister“, einen unbekannten Steinmetz, der im 13. Jahrhundert einen Chor aus Stifterfiguren erschuf, der bis heute im Naumburger Dom zu sehen ist. Unter diesen Figuren findet sich auch die der Uta, einer jungen Frau, über die so gut wie nichts überliefert ist. In den ersten Romanen der Schwestern ging es um das Leben eben dieser jungen Frau Uta. Bereits vor sieben Jahren hatten Claudia und Nadja Beinert die Idee, sich mit dieser Figur des Naumburger Meisters zu beschäftigen.

Zwischen den drei Lesepassagen zeigen die beiden Autorinnen in der Buchhandlung eindrucksvoll, wie viel Recherche in ihren Büchern steckt. Mit Hilfe von Skizzen machen sie es den neugierigen Zuschauern möglich, den Protagonisten des Buches so nah wie möglich zu kommen. Für die zwei nichts Ungewöhnliches. Denn wenn man sich entschließt, mit seiner Zwillingsschwester (oder einem anderen Menschen) zusammen ein Buch zu schreiben, stößt man auf ganz praktische Probleme: Wie kann ich meinem Ko-Autoren vermitteln, wie die Personen aussehen, die ich mir ausdenke?

Damit der geneigte Leser nicht plötzlich zwei Stimmen im Kopf hat, fertigen sie Skizzen der einzelnen Protagonisten an; ein gemeinsames Bild entsteht. So sind dann bei der Lesung nicht nur Claudia und Nadja Beinert auf der Bühne bei Hugendubel zu sehen, sondern auch Hortensia, Agnes, der Bischof Dietrich und natürlich der Naumburger Meister Matizo von Mainz. Und der soll – zumindest nach der Meinung einiger Besucher – eine gewisse Ähnlichkeit mit US-Rockstar Jon Bon Jovi haben . . .

Wenn man die Augen während des Vorlesens schließt, kann man die Charaktere genau vor Augen sehen.  Es wird klar, dass die Zwillinge jeweils ihren Lieblingsfiguren mit ihren Stimmen Leben einhauchen. So übernimmt Claudia die Rolle der Agnes und Nadja die der Hortensia. Beides starke weibliche Personen, für die es im Mittelalter alles andere als einfach war. Wenn man nur darüber nachdenkt, dass damals verpönt war, als Frau mit übergeschlagenen Beinen zu sitzen.

Dies zitieren die Beinert-Schwestern aus einem Versbüchlein, auf das sie bei ihren Recherchen aufmerksam wurden und das es auch postwendend ins Buch geschafft hat. Solche wie andere Stellen zeigen dem Publikum, wie viel Arbeit in all den kleinen Details des Buches steckt.

Während über den Naumburger Meister eigentlich nichts Handfestes überliefert ist und der Schriftstellerfantasie so kaum Grenzen gesetzt sind, steckt der Teufel im Detail. So recherchierten die beiden beispielsweise, ob es zur damaligen Zeit schon Türriegel gab. Wie sahen diese aus? Welche Fußböden waren in den Häusern? Trugen Frauen ihre Haare lang oder kurz? All' diese vermeintlichen Kleinigkeiten führen dazu, dass man sich in den Romanen der beiden verlieren kann und sich beim Blick über die Buchseite hinaus kurz fragen muss, in welcher Zeit man sich nun befindet.

Daher können die Leser schon sehr gespannt sein, was sie im kommenden Roman erwartet, der im Frühjahr 2017 erscheinen soll. Auch in ihrem nächsten Buch widmen sich die beiden Schriftstellerinnen einer starken Frau – der Mutter Martin Luthers. Für „Die Mutter des Satan“ lässt sich wohl keine bessere Bühne denken als das Erfurter Augustinerkloster – und das im Rahmen der Frühlingslese 2017.

TA-Bloggerin Anja Schmidt lag mit ihrer Sicht auf den Abend gar nicht so weit von dieser Rezension entfernt:  Auf Zwiebelchens Plaudereckeist zu lesen: „Während des heutigen Abends gewährten uns die Autorinnen mit drei Szenenlesungen einen kurzen Blick auf vier der wesentlichen Protagonisten im Buch. Hortensia, Agnes, Matizo und den Bischof von Naumburg kamen zu Wort. Wobei Hortensia eindeutig Nadjas Favoritin der Geschichte ist und Agnes die von Claudia. Gern hätten sie uns auch den Meißner Markgrafen Heinrich von Wettin und Pauline aus Freiberg vorgestellt. Dies hätte aber den zeitlichen Rahmen der Veranstaltung gesprengt.“

(*) Linnea Müller absolviert ihr Freiwilliges Soziales Jahr Kultur bei der Erfurter Herbstlese

Claudia und Nadja Beinert bei Hugendubel

Fotos: Linnea Müller

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