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Erfurter Herbstlese
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April 15 2016

Erfurt erlebt dank Marion Brasch „Die irrtümlichen Abenteuer des Herrn Godot"

Absurd schön

Schöne Drohung: Nach ihrem dritten Auftritt will sich Marion Brasch bei der Herbstlese einklagen.
Schöne Drohung: Nach ihrem dritten Auftritt will sich Marion Brasch bei der Herbstlese einklagen.

Von Sigurd Schwager

Wenn die Welt ein Dorf ist, in dem jeder jeden und jede über 6,6 Ecken kennen soll, dann darf man die Frühlingslese getrost auch ein Familientreffen nennen. Dabei fällt im Frühjahr 2016 besonders auf: die Dichte der Dichter aus Dichterfamilien. Denn es lasen oder lesen noch:  Die Gattin des Herbstlese-Lieblings Rafik Schami, der Sohn von Christoph Hein, der Vater von Jakob Hein, die Schwester von Thomas Brasch sowie der Sohn von Eva und Erwin Strittmatter.

Nun also Marion Brasch in der Buchhandlung Hugendubel auf dem Erfurter Anger. Die Berliner Schriftstellerin, die mit ihrem Buch „Ab jetzt ist Ruhe. Roman meiner fabelhaften Familie“ 2012 für einiges Aufsehen sorgte und 2014 den Roman „Wunderlich fährt nach Norden“ folgen ließ, stellt ihr neues literarisches Werk vor: „Die irrtümlichen Abenteuer des Herrn Godot“. Ach du lieber Beckett!

Nicht bei jedem Buch weiß der Leser schon nach den allersten Zeilen, worauf er sich einlässt. Hier schon. Es beginnt wie folgt, und auch Marion Brasch beginnt ihre Lesung wie folgt: „Das ist Godot. Woher ich das weiß? Keine Ahnung, es ist einfach so. Er war plötzlich da und hat gesagt, er sei Godot. Natürlich habe ich das sofort bezweifelt und gedacht: Godot, das ist doch der, auf den sie immer warten in dem Stück von diesem Iren. Sie warten, und er kommt nicht. Na ja, was soll man machen, wenn einer behauptet Godot zu sein . . . Wahrscheinlich hat er sich verlaufen auf dem Weg zu den beiden, die auf ihn warten.“

Zwei Absätze später fängt es an, Hunde und Katzen zu regnen. „Erst waren es nur ein paar, aber bald schon war die ganze Gegend voll davon. Sie liefen aufgeregt durcheinander und faselten irgendetwas vom Niedergang der Werte.“  So geht es auf abenteuerlichen Wegen und verschlungenen Umwegen immer weiter und weiter durch eine verrückte Welt. Sie ist voll sonderbarer Figuren und wundersamer Geschichten.

Die sprachmächtige Freude der Autorin am Absurden ergreift alsbald auch den Leser, und sie wächst noch beim Betrachten der fabelhaften Buch-Illustrationen von Matthias Friedrich Muecke. Ein Roman? Eher ein Roman-Spiel schreibt die Rezensentin des „Freitag“ und findet zu einer schönen Zusammenfassung: „Alles durcheinander – aber nach Plan, meistens.“

„Das Buch“, sagt Marion Brasch in Erfurt, „funktioniert irgendwie sehr chaotisch.“ Man könnte auch sagen: Es funktioniert irgendwie bestens, wie ein Blick auf das amüsiert zuhörende Publikum zeigt.

Marion Brasch folgt in Erfurt der Dramaturgie ihres Buches, in dem sich die Abenteuer des Herrn Godot mit skurril-zauberhaften Märchen abwechseln, in denen, zum Beispiel, Dornfröschen und ein kleiner Autoreifenteufel ihren Es-war-einmal-Auftritt haben. Neben dem Ohr wird das Auge sehr erfreut. Auf einer Leinwand sind die Godot-Illustrationen zu besichtigen. Und es gibt als Höhepunkt einen sensationellen Kurzfilm, der das Märchen erzählt, wie der Lackaffe zu seinem Namen kam (Nachzulesen im Buch auf den Seiten 9 bis 12 sowie nachzuschauen im Netz).

Am Ende der Lesung bittet Marion Brasch den Künstler Matthias Friedrich Muecke, der unter den Zuhörern sitzt, mit auf die Bühne. Es gibt langen und herzlichen Beifall für beide. Die Autorin wiederum wirbt mit sichtlicher Begeisterung für des Künstlers am selben Tag in Erfurt eröffnete Ausstellung, und zwar in der Galerie am Hirschgarten in der Regierungsstraße 4 unweit des alten Angerbrunnens.

Die Veranstaltung ist Marion Braschs dritte Lesung in Erfurt gewesen. Weil aller guten Dinge drei sind, sagt sie: „Ich habe jetzt das Recht, mich einzuklagen, damit ich jedes Jahr zweimal hier sein darf.  Zur Frühlingslese und zur Herbstlese.“

So soll es sein. Unbedingt.

 

Marion Brasch bei Hugendubel

Fotos: Holger John

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