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Erfurter Herbstlese
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Okt. 21 2015

Die Indonesierin Laksmi Pamuntjak im Haus Dacheröden

Eine Liebe in einem unbekannten Land

Laksmi Pamuntjak lebt mit ihrer Familie in Indonesiens Hauptstadt Jakarta, wo sie auch als Journalistin arbeitet.
Laksmi Pamuntjak lebt mit ihrer Familie in Indonesiens Hauptstadt Jakarta, wo sie auch als Journalistin arbeitet.

„Und ist es nicht so, dass alle Geschichten da sind um, neu geschrieben zu werden?“ So endet der Prolog von Laksmi Pamuntjaks „Alle Farben Rot“, den sie zusammen mit ihrer Übersetzerin Martina Heinschke und der Schauspielerin Katrin Heinke im Haus Dacheröden vorstellte. Ein Glücksfall für die Herbstlese und ihre Gäste, nutzte die Indonesierin doch ihren Besuch bei der Frankfurter Buchmesse auch für einen Abstecher nach Erfurt. So erhielten die Thüringer Literaturfreunde einen lebendigen Eindruck von Pamuntjaks Debütroman, der die Ereignisse der letzten 50, 60 Jahre mit dem Nationalepos Mahabharata verbindet.

Das Mahabharata kennt in Indonesien jedes Kind; die große Geschichte von den drei Königstöchtern Amba, Ambika und Ambalika und von Bishma, dem „unvergleichlichen Krieger“. In Europa, in Deutschland, dürfte sich das Wissen über das Epos aber in sehr engen Grenzen halten. Wie auch über das Land, in dem Laksmi Pamuntjak aufgewachsen ist.

Indonesien ist ein Staat der Inseln, ein Archipel. Mehr als 17 000 Eilande sind es, zum Teil mit klangvollen Namen wie die Molukken, die Gewürzinseln. Komodo, die Heimat der berühmten Warane. Oder Sumatra und Java, die Lieferanten feiner Tabake über Jahrhunderte hinaus, die heute noch für den holländischen Typ Zigarre stehen.

Alle dieser Klang trägt auch die Geschichte des Landes gleichsam in sich: Gewürze, die die Portugiesen nach Europa brachten. Die Niederländer, die nur widerstrebend nach dem Ende des zweiten Weltkriegs auf ihre Kolonie verzichten mochten. Oder die Komodowarane. Ein Pärchen der seltenen Echsen schenkte einst Präsident Suharto dem deutschen Kanzler Helmut Kohl, der sie im Berliner Zoo inklusive erklärendem Schild zeigen ließ.

Doch wer war dieser Suharto? Ein General, der 1965 die Macht im Vielvölkerstaat an sich riss, und über Jahrzehnte mit eiserner Hand regierte. Er errichtete eine streng antikommunistische Diktatur, die Feinde der neuen Ordnung wurden brutal verfolgt. Tausende von ihnen verschwanden in Straflagern.

So ergeht es auch Bhisma in „Alle Farben Rot“. Nach dem Tod Suhartos begibt sich dessen ehemalige Geliebte Amba auf Spurensuche auf die Insel Buru, auf der der junge Arzt, der in Leipzig seine Ausbildung erhalten hatte, interniert gewesen war. Die Insel, auf der er starb.

„Mit den gefühlvollen Bekenntnissen des auf Buru verstorbenen Mannes schließt sich für Amba der Kreis einer Liebe, die seinerzeit vom Militärputsch 1965 jäh unterbrochen wurde“, schreibt Hanno Müller in der „Thüringer Allgemeine“. Er fährt fort: „Pamuntjak verwebt die Geschichte der selbstbewussten Amba, die in einem kleinen Ort als Tochter eines Lehrers aufwächst und englische Literatur studiert, sowohl mit der blutigen Historie . . . als auch mit Mythen der hinduistisch-javanischen Literatur.“

Eine Historie, über die bis heute nicht ohne weiteres in Indonesien gesprochen wird. Von einer Art Aufarbeitung kann schon gar keine Rede sein, erklärt die Autorin im Gespräch mit ihrer Übersetzerin Martina Heinschke dem Erfurter Publikum. „Auch zwei Jahrzehnte nach Suhartos Sturz ist die Menschenhatz ein großes Tabu auf den Inseln, Pamuntjak bricht es“, urteilt Hanno Müller.

In Erfurt sagt die Autorin, es mehrten sich wieder Kräfte, dies sich der Demokratisierung des Landes entgegenstellen. Sie nennt dafür auch Beispiele; etwa Demonstrationen vor dem Bildungsministerium, die sich gegen den Auftritt des Landes bei der Frankfurter Buchmesse richten. Oder das  Verbot einer Studentenzeitung, die Suhartos Griff nach der Macht thematisierte.

Da muss es nicht wundern, wenn in Roman auch resignative Töne zu hören sind. So liest die Schauspielerin Katrin Heinke auch diese Stelle vor: „Einige Jahre später erkannt Amba, dass es in der Politik nicht um richtig oder falsch ging. Politik war eher, wie man richtig Falsches tut.“

Hier finden Sie den vollständigen Beitrag von Hanno Müller in der "Thüringer Allgemeine".

Laksmi Pamuntjak im Haus Dacheröden

Fotos: Holger John

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