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Erfurter Herbstlese
Es lebe die Erfurter Herbstlese!
Nov. 13 2019

Rolf Seelmann-Eggebert und Tochter Adele berichten über ein Reporterleben

Adel verpflichtet

Das Gespräch mit Rolf Seelmann-Eggebert und Tochter und Ko-Autorin Adele führte Gothas Oberbürgermeister Knut Kreuch.
Das Gespräch mit Rolf Seelmann-Eggebert und Tochter und Ko-Autorin Adele führte Gothas Oberbürgermeister Knut Kreuch.

Von Sigurd Schwager

„Ich war nie Monarchist und ich werde nie einer sein.“ Der Mann, der dies von sich sagt, ist Deutschlands bekanntester Adelsexperte, d i e royale Reporterinstanz. „Königsfritze“ etikettiert er sich selbstironisch, um das Image ein wenig auf Distanz zu halten. Wohl vergeblich. Mal nennt man ihn bewundernd den „großen Königinnenversteher der Republik“, mal lästernd einen „Durchlauchterhitzer“ oder „Hofberichterstatter“.

In Betrachtung all dessen tritt das Erwartbare ein, als die Erfurter Herbstlese ihren populären Gast Rolf Seelmann-Eggebert ankündigt. Das Interesse an „Sir Rolf“ ist weitaus größer als der größte Raum im Hause Dacheröden und deshalb ein Wechsel in die Aula des Ratsgymnasiums dringend geboten. Wo natürlich auch kein Platz frei bleibt.

Rolf Seelmann-Eggebert, 82, kommt nicht allein, denn seine Memoiren „In Hütten und Palästen. Ein Reporterleben“ hat er mit Tochter Adele verfasst. Ihr gelte sein erster Dank, schreibt der welterfahrene Journalist am Ende des Buches, das ohne ihre Beharrlichkeit nicht zustande gekommen wäre.

Der dritte Stuhl auf der Erfurter Bühne ist reserviert für den Moderator des Abends. Diese Rolle übernimmt ein echter Residenz-Profi, Gothas langjähriger Oberbürgermeister Knut Kreuch. Eine kluge Wahl. Der Berichterstatter wüsste niemand im Freistaat, der besser für ein königliches Gespräch geeignet und begeisterungsfähiger für eine solches Thema ist.
Von Anfang an sieht, hört und spürt im Saal ein Vertrautheit. Rolf Seelmann-Eggebert ist dem Publikum nahe. Es kennt ihn zwar nicht persönlich, hat aber mit ihm manche Radio- und Fernsehstunde verbracht. Jetzt, hier in Erfurt, halten die erinnerten Worte und die inneren Bilder dem direkten Vergleich mühelos stand. Ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle und, selbstredend, gut gekleidet, ein wacher Geist, kultiviert, freundlich, höflich, stets unaufgeregt und bedachtsam die Worte wägend. Ruhig und angenehm die unverwechselbare Stimme. Noch mit geschlossenen Augen würde man sie sogleich wiedererkennen.

Wie das Buch ist auch der Abend ein Gemeinschaftswerk von Vater und Tochter, die im Wechsel vorlesen und erzählen. Gerade die damit verbundenen unterschiedlichen Perspektiven gewähren interessante Einblicke. Zur Arbeit am Buch sagt die Tochter: „Ich wollte den Plauderton erhalten, er wollte das nicht.“ Gut, dass sich Adele durchgesetzt hat.

Gebührend viel Raum nimmt im Buch wie im Gespräch die Zeit in Afrika ein. Acht Jahre lang, von 1968 bis 1976, lebt und arbeitet Rolf Seelmann-Eggebert als ARD-Korrespondent in Afrika, ist zu Beginn für die Berichterstattung aus 20 Ländern zuständig, am Schluss sind es 52. Es ist die Zeit des Umbruchs, der großen Hoffnungen und Enttäuschungen, der schrecklichen Kriege. Die Liebe zu Afrika, das wird auch in Erfurt deutlich, hat nie nachgelassen, und er macht sich heute große Sorgen um den gewaltigen Kontinent. Das Nachwort des Buches endet mit dem Satz. „‚Frieden und Afrika‘, das ist ein Thema, über das man gar nicht lange genug nachdenken kann.“

Natürlich kommt in Erfurt die Umschau in den Palästen nicht zu kurz. Schließlich ist Rolf Seelmann-Eggebert als einziger Journalist in allen regierenden Adelshäusern Europas zu Gesprächen empfangen worden. Er hat Königin Elisabeth II. vielleicht 50 Mal gesehen, aber nie interviewt – weil die Queen keine Interviews gibt. Mit Königin Silvia oder König Juan Carlos hat er geplaudert und mit Prinz Charles, über den er gern und hochachtungsvoll spricht, und dessen Humor er lobt. Prinz Charles sei schon damals seiner Zeit weit voraus gewesen, man habe viel von ihm lernen können.

Der Reporter erzählt, wie es zum ersten Gespräch mit Charles kam. Nach der Londoner Absage einer entsprechenden Anfrage habe er Charles‘ Tante aus dem Haus Hannover angerufen. Da selbige seine Sendungen kannte und sogar für gut befand, ebnete sie offenbar den Weg. Denn jener Presseoffizier, der ihn vorher harsch abgewiesen hatte, teilte ihm nun mit, ihm sei befohlen worden, ein Interview zu organisieren. Offensichtlich glaubte Charles, dass zwischen seiner Tante und dem deutschen Journalisten ein enges und gutes Verhältnis bestehe. „Dabei waren es doch nur zwei Telefonate“, sagt Rolf Seelmann-Eggebert und lächelt: „Man muss eben manchmal auch Glück haben im Leben.“

Dass er so oft und so ausführlich über den Adel berichten kann, hängt mit dem bis heute anhaltenden Interesse zusammen. Warum das so ist, wird der Hochadel-Reporter oft gefragt. Auch in Erfurt streift er dieses Thema, das der überzeugte Demokrat im „Tagesspiegel“ einmal so erklärt hat: Es herrsche, sagt er, ein ständiges Kommen und Gehen der Stars. „Die einzigen öffentlichen Personen, deren Leben quasi von der Wiege bis zur Bahre verfolgt werden kann, sind die Mitglieder der königlichen Häuser. Diese Sehnsucht nach Kontinuität erfüllen die Vertreter der Adelshäuser häufig, auch die, die bei uns seit 1918 nicht mehr regieren. Hinzu kommt, dass wir uns bei Berichten über Adelshochzeiten ein Stück weit den royalen Glanz, den viele auch aus ihren Märchenbüchern kennen, borgen – ohne dafür bezahlen zu müssen.“

Aber bei allem Glanz und Gloria bleibt auch jenes Vorkommnis im Leben von Rolf Seelmann-Eggebert nicht unerwähnt, auf das er ganz gewiss liebend gern verzichtet hätte. Was damals sogar die „New York Times“ für berichtenswert hielt, dem hat er jetzt ein eigenes Buchkapitel gewidmet. Überschrift: „Der vertauschte Kohl“. Denn Silvester1986 wünscht Kanzler Helmut Kohl im bundesdeutschen Fernsehen den Bürgern alles Gute - für das Jahr 1986. Verantwortlich für die irrtümlich gesendete alte Neujahrsansprache: der Programmdirektor des Norddeutschen Rundfunks. Der heißt Rolf Seelmann-Eggebert und ist zudem ein Mann mit SPD-Parteibuch. Für einige Zuschauer, schreibt er in seinen Memoiren, sei klar gewesen, dass die Roten wieder einmal gezielt versucht hätten, den CDU-Kanzler in der Öffentlichkeit lächerlich zu machen. Aber, betont Seelmann-Eggebert 33 Jahre später in Erfurt, Helmut Kohl selbst sei nie darauf zurückgekommen. „Das rechne ich ihm hoch an.“

Am Ende der hochinteressanten und hochunterhaltsamen Geschichtsstunde und Gegenwartskunde in der Aula des Ratsgymnasiums gibt es rauschenden Beifall für Vater und Tochter Seelmann-Eggebert. Nicht minder laut, lang und herzlich dankt das Publikum dem heiteren Souverän Knut Kreuch. In einem anderen Leben wäre der Bürgermeister gewiss auch ein begabter TV-Moderator.

Rolf Seelmann-Eggebert im Ratsgymnasium

Fotos: Viadata

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