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Erfurter Herbstlese
Es lebe die Erfurter Herbstlese!
Okt. 26 2018

Der Erfurter Verhaltensforscher stellte sein Buch „Die Sprache der Tiere“ bei Hugendubel vor

Dr. Brensings Tierleben

In seiner Heimatstadt, so der Verhaltensforscher Karsten Brensing , lese er besonders gern. Dieses Mal saß seine Mutter in der ersten Reihe.
In seiner Heimatstadt, so der Verhaltensforscher Karsten Brensing , lese er besonders gern. Dieses Mal saß seine Mutter in der ersten Reihe.

Von Sigurd Schwager

Im Oktober 2017 gab der Erfurter Verhaltensforscher und Meeresbiologe Karsten Brensing mit dem Bestseller „Das Mysterium der Tiere“ seinen Herbstlese-Einstand. Ein starkes Debüt, ernsthaft und witzig zugleich. Die damals von allen Beteiligten erhoffte Fortsetzung folgt genau ein Jahr später. Selber Ort, selber Monat, selbe Uhrzeit, und wieder bleibt in der Buchhandlung Hugendubel am Anger kein Stuhl frei.

Das neue Buch des schreibbfleißigen Dr. Brensing heißt „Die Sprache der Tiere“ und trägt den Untertitel „Wie wir einander besser verstehen“. Dem Autor ist das Heimspiel sehr wichtig, zumal auch noch seine Mutter in der ersten Reihe sitzt. Erfurt sei für ihn etwas Besonderes, sagt Karsten Brensing. Deshalb freue er sich auf diese Buchpremiere vor der offiziellen Premiere nächste Woche in Berlin.

Dass der Wissenschaftler, der viel in der Welt herumgekommen ist, anschaulich erklären kann, erinnern seine Zuhörer. Und so wird es auch an diesem Abend sein: 75 unterhaltsame Minuten in freier Rede und mit optischer Unterstützung auf der Leinwand, dann zwei oder drei gelesene Buchseiten, schließlich jede Menge Zeit für Fragen.

Mit Tieren sprechen. Geht das überhaupt, das Mensch und Tier einander verstehen? Vieles scheint möglich. Davon handelt das Buch. Darüber spricht der Verhaltensforscher. „Karsten Brensing kennt die Antwort“ wirbt der Verlag für das Buch und platziert dazu noch zwei Exemplare der allseits beliebten Erdmännchen auf den Umschlag. Natürlich kennt der um Differenzierung bemühte Autor nicht d i e Antwort und behauptet das auch zu keiner Sekunde.

Was er ausnehmend gut kann – und im Buch wie im Vortrag eindrucksvoll vorführt: Die Leser oder Zuhörer in verständlicher Weise auf den neuesten Stand der wissenschaftlichen Dinge zu bringen, dabei Emotionen nicht zu scheuen, offene Fragen und Rätsel als solche zu benennen. Das Buchkapitel I „Können wir Tiere verstehen?“ beginnt zum Beispiel so: „Vermutlich kennen Sie viele Menschen, die mit ihren Tieren reden, ich mache das auch. Doch was ist daran wirklich Kommunikation, reden wir vielleicht nur aneinander vorbei? Oder können wir tatsächlich mit Tieren sprechen? Gibt es vielleicht ein universelles Verständnissystem oder sogar eine Handy-App mit Übersetzungsfunktion?“

Und Kapitel V „Die universelle Verständigungsformel“ am Ende des Buches eröffnet er mit dem Satz: „Achtung: Diese Seiten sind nicht verständlich bzw. leiten fehl, wenn Sie die angegebenen Buchseiten nicht gelesen haben!“

Wer Karsten Brensing zuhört, der merkt rasch, hier spricht kein nur nüchtern beobachtender Wissenschaftler, sondern ein Tier- und Menschenfreund. In einem Geo-Interview hat er seine Haltung formuliert: „Wenn wir uns klarmachen, was wir heute über Tiere wissen, dann fällt es immer schwerer, einen prinzipiellen Unterschied zwischen Menschen und Tieren zu finden. Wir Menschen schützen uns gegenseitig vor Verletzungen und Tod, weil wir uns hohe kognitive Fähigkeiten zuschreiben und uns als Individuen respektieren. Das müsste, unserer eigenen Moral folgend, auch für Tiere gelten.

Es würde bedeuten, dass Tiere einen Anspruch auf sich selbst hätten – und einen Anspruch auf ein angemessenes Leben. Ich setze mich nicht dafür ein, die Tierhaltung komplett abzuschaffen, das wäre illusorisch. Aber der Anspruch eines sinnvollen und schönen Lebens, der ist mir wichtig. Darum betone ich in meinem Buch auch, wie wichtig Freude für Tiere ist. Die allermeisten und die wichtigsten Verhaltensweisen werden durch Freude erzeugt. Und nicht durch die Abwesenheit von Stress und Schmerz. Wir müssen also darüber reden, was wir dafür tun können, damit den Tieren ihr Leben gefällt. Und nicht darüber, was wir tun müssen, damit sie nicht leiden. Und das bedeutet natürlich auch, dass sich an der Tierhaltung etwas ändern muss."
Unsere Vorstellung von der Tierwelt, das lehrt der Erfurter Abend, befindet sich im Wandel. Ja, Tiere können denken und fühlen, ja, sie sind uns ähnlicher als wir vielleicht vermuten. Karsten Brensing erwähnt in seinem Vortrag, dass er gerade das Vorwort für die Neuauflage des berühmtesten Buches eines berühmten Thüringers geschrieben habe, für Alfred Brehms Tierleben. Es sei schon erstaunlich, sagt Brensing, dass vieles, was der große Zoologe im 19. Jahrhundert behauptet habe, durch aktuelle Literatur aus dem 21. Jahrhundert belegt werde. Er gehe sogar noch weiter: Jene Generationen, die von 1860 bis 1900 mit „Brehms Tierleben“ aufgewachsen seien, hätten teilweise ein besseres Bild von Tieren als die meisten heutigen Menschen.

Sein Herbstlese-Publikum meint er damit nicht, denn auf seine Frage, wer im Raum ein Tier hatte oder habe, vermutet er: alle. Die daran anschließende Frage, wer denn glaube, dass er sein Tier verstehen könne, führt folgerichtig zum selben Ergebnis: alle.

Dann ist das Publikum dran: Können Tiere beleidigt sein? Miaut die Katze nur für uns Menschen? Merkt der Hund, wenn ich Angst habe? Aber auch die großen Fragen kommen – die nach den Parks, in denen Tiere fragwürdig gehalten werden, die nach vegetarischer oder veganer Ernährung. Es sei ein langer, über Generationen anhaltender Prozess der Veränderung, sagt Brensing und erzählt, dass sein nächstes Tierbuch eines für Kinder werde

Die zum Abschied heftig applaudierenden Eltern und Großeltern nehmen das höchst wohlwollend zur Kenntnis. Man darf also sicher sein, dass der zweite Herbstlese-Auftritt von Karsten Brensing nicht sein letzter gewesen sein wird.

Karsten Brensing bei Hugendubel

Fotos: Uwe-Jens Igel

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