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Erfurter Herbstlese
Es lebe die Erfurter Herbstlese!
Dez. 02 2014

Moritz Netenjakob im Gewerkschaftshaus

Udo und Peter, Herbert und Jan

Ein Mann mit vielen Gesichtern: Moritz Netenjakobs imitatorische Fähigkeiten sind beeindruckend.
Ein Mann mit vielen Gesichtern: Moritz Netenjakobs imitatorische Fähigkeiten sind beeindruckend.

Warum, fragt man sich irgendwann im Laufe des Abends, warum ist dieser Mann eigentlich nicht im Fernsehen zu erleben? Dort wimmelt es doch nur so von Menschen, die nicht annähernd so witzig sind – egal, ob es nun um sinnentleerte Comedy oder Kabarett mit Anspruch geht. Das mag schon ein wenig die Antwort vorwegnehmen: Mit seinem Programm gehört Moritz Netenjakob zu keiner der beiden Kategorien.

Aber vielleicht erlebt sein Publikum auch gerade seinen unwiderstehlichen Aufstieg in den Lach-Olymp. Vor zwei Jahren füllte sein Ruf die Buchhandlung Hugendubel, merkt zur Begrüßung Programm-Chefin Monika Rettig an. Heuer muss es schon das Gewerkschaftshaus sein. Alle Reihen sind gefüllt. Kommt also als nächstes der Kaisersaal?

Gut möglich, der Halbwestfale und Halbthüringer – seine Mutter wuchs in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts in Bad Langensalza auf –, der zudem mit einer Türkin verheiratet ist, hätte es allemal verdient.

Sicher, lustige Abende gehören zur Herbst- wie zur Frühlingslese. Namen wie Axel Hacke oder Horst Evers stehen für vergnügliche Stunden, Stefan Schwarz natürlich nicht zu vergessen. Doch irgendwie kehrt bei ihnen zwischen den Nummern so etwas wie Ruhe ein. Bei Netenjakob bekommt das Zwerchfell Muskelkater.

Nicht, dass er Zote an Herrenwitz reißen würde, im Gegenteil, seine Pointen sind alles andere als flach. Dazu überzeugt er als Imitator. Mitgeschnitten und im Hörfunk versendet wüssten die Menschen an den Apparaten nicht, wie viele Komiker da auf der Bühne stehen. Ist das schon Otto oder noch Moritz, schwadroniert noch der Herr Netenjakob oder sitzt der Herr Hallervorden hinter dem Mikro?

Doch was heißt hier hören, sehen muss man den Mann. Wie er gleichsam zwischen seinen Charakteren mäandert, grimassierend, dass keiner dem anderen gleicht. Der Höhepunkt des Abends ist dann sicher auch das Musiker-Quartett: Lindenberg und Grönemeyer, Delay und Maffay streiten an der Bar des Hotels Atlantic, wie der außerirdischen Gefahr begegnet werden kann, die just halb Deutschland in Schutt und Asche legt. Ganz im Ernst, wenn sich Moritz Netenjakob als Herbert aus Bochum auf seinem Stuhl windet und dabei Töne ausspuckt, als sei der Meister selbst in ihn gefahren, wenn Udo die Welt rettet mit einem Eierlikör, dann, spätestens dann weiß der letzte Besucher im Saal, was da für ein Ufo auf der Bühne gelandet ist.

Doch die Promis sind es nicht alleine, die die Show tragen. Da gibt es das Lehrerpaar beim Fesselsex oder die 50 Jahre Verheirateten im Theater, das Publikum leidet kichernd mit dem pubertierenden Gymnasiasten und erlebt Hänsel und Gretel aus nie für möglich gehaltenen Perspektiven.

Ein Glück, das Moritz Netenjakob eine Pause macht, nur eine Zugabe gibt, eher er nach gut zwei Stunden Richtung Büchertisch zum Signieren seines Buches „Mit Kant-Zitaten zum Orgasmus“ entfleucht. Es braucht keiner seherischen Gaben für diese Prognose, es ist sonnenklar: Der 1. Dezember 2014 wird, so Autor und Gott wollen, nicht der letzte Auftritt von Moritz Netenjakob bei der Herbstlese gewesen sein.

Moritz Netenjakob im Gewerkschaftshaus

Fotos: Holger John

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