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März 13 2019

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Deutsch-tschechische Familiengeschichten

Die Autorinnen Alena Mornštajnová und Katerina Tučková mit Christina Frankenberg vom Tschechischen Zentrum Berlin und Tanja Krombach vom Deutschen Kulturforum östliches Europa sowie der Ausstellungsmacher Ralf Pasch.
Die Autorinnen Alena Mornštajnová und Katerina Tučková mit Christina Frankenberg vom Tschechischen Zentrum Berlin und Tanja Krombach vom Deutschen Kulturforum östliches Europa sowie der Ausstellungsmacher Ralf Pasch.

Von Vanessa-Marie Starker (*)

Das Kultur: Haus Dacheröden hat die beiden tschechischen Autorinnen Alena Mornštajnová mit ihrem neuen Buch „Hana“ und Kateřina Tučková mit „Gerta. Ein deutsches Mädchen“ für eine Lesung in Erfurt gewinnen können. Als Dolmetscherinnen stehen ihnen Christina Frankenberg und Tanja Krombach zur Seite. Auch die Ausstellung von Ralf Pasch, die nach dem Auftritt der beiden Schriftstellerinnen eröffnet wird, widmet sich deutsch-tschechischen Familiengeschichten, die in der Zeit der beiden Weltkriege und der Nachkriegszeit angesiedelt sind.

Alena Mornštajnová und Kateřina Tučková verarbeiten in ihren Romanen verschiedene Schicksale auf literarische Weise. Ihre Bücher stehen als fiktive Beispiele für die Menschen, die unter den Auswirkungen des Krieges, dem Holocaust und der Vertreibung gelitten haben. Da beide Autorinnen ihre Textauszüge in ihrer Muttersprache vorlesen, gibt es eine deutsche Übersetzung zum Mitlesen auf einer Leinwand.

Alena Mornštajnová wollte ursprünglich einen Roman über zwei unterschiedliche Frauen schreiben, die zueinanderfinden. Für ihre Geschichte wurde sie von einer Typhusepidemie inspiriert, die 1954 ihre Heimatstadt heimsuchte. Innerhalb der Stadtgeschichte ist die Epidemie in Vergessenheit geraten, Mornštajnová verbindet indes einen Teil ihrer Familiengeschichte mit ihr. Bei ihren Recherchen stößt sie auch auf die früheren jüdischen Gemeinden der Stadt. Das zusammen gab den Anstoß für den Roman „Hana“, in dem sie beide Aspekte miteinander verbindet, erzählt sie ihrem Publikum.

Die Protagonistin Hana hat den Holocaust überlebt. Fast ihre ganze Familie wurde umgebracht, nur ihre Schwester konnte dem Konzentrationslager entgehen. Als sie der Typhusepidemie 1954 zum Opfer fällt, nimmt Hana ihre neunjährige Nichte Mira bei sich auf.

Auch Kateřina Tučková entdeckte eher durch Zufall ein deutsch-tschechisches Schicksal als Thema für sich. Während ihr Freund eine Dissertation über die Vertreibung nach dem zweiten Weltkrieg verfasst, entdeckt Tučková in seiner Quellensammlung einen Brief. Dieser stammt von einer 21-jährigen Mutter, die mit ihrem Kind aus dem Ort vertrieben wurde, in dem Tučková zu ihrer Studienzeit lebte. Er dient ihr als Inspiration zu ihrem Buch „Gerta. Ein deutsches Mädchen“, welches jedoch nicht direkt die Lebensgeschichte der vertriebenen Frau erzählt, sondern diese als Grundgerüst verwendet.

Gerta wird als junge Frau vertrieben, lebt in der Nähe der Grenze als Zwangsarbeiterin und schafft es, nach einer Hochzeit wieder in ihre Heimatstadt zurückzukehren. Das Buch erzählt ihre Geschichte und die ihrer Tochter Barbara. Wie auch in Mornštajnovás Roman thematisiert „Gerta. Ein deutsches Mädchen“ die Probleme und Konflikte, die zwischen der Generation, die Krieg und Vertreibung durchlebt hat, und ihren Kindern auftreten.

In beiden Fällen sind die beschriebenen Frauen – Gerta und Hana – von Krieg und Vertreibung traumatisiert und haben sichtliche Probleme, wieder in die Gesellschaft zu finden. Während des Gespräches der Autorinnen mit dem Publikum zeigt sich, dass beide Schriftstellerinnen gleichermaßen einen Beitrag dazu leisten wollen, die thematisierte Zeit und die betroffenen Generationen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Die Lesung in fremder Sprache erscheint zunächst ungewohnt, sie ist aber auch eine sehr faszinierende Erfahrung. Denn auch ohne eine Kenntnis des Tschechischen, ist zu erkennen, welche Stelle des Textes auf der Leinwand gerade vorgelesen wird, da Stimme und Art des Vortrags die Gefühle des Textes auch sprachfremden Zuhörern vermitteln.

Im Anschluss eröffnet Ralf Pasch seine Ausstellung, die sich mit der realen Geschichte der Familie Schalek auseinandersetzt. Pasch stellt die verschiedenen Familienmitglieder vor. Unter dem Motto „Fünf Biographien erzählen 100 Jahre Geschichte“ wird auf die Rolle der Familie Schalek während des Krieges und der Nachkriegszeit eingegangen.

Der Abend zeigt, wie sehr Biographie und Geschichte miteinander zusammenhängen, und dass die Erlebnisse früherer Generationen nicht in Vergessenheit geraten sollten. Dafür möchten die beiden Autorinnen und die öffentlich zugängliche Ausstellung einen Beitrag leisten.

Deutsch-tschechische Familiengeschichten im 20. Jahrhundert stehen für einen Abend im Kultur: Haus Dacheröden im Mittelpunkt: Einmal am Beispiel der Romane „Hana“ und „Gerta. Ein deutsches Mädchen“ von Alena Mornštajnová und Kateřina Tučková. Zum anderen mit der Ausstellung über die Familie Schalek. Sie zeigt, wie sich Biografie und Geschichte gegenseitig durchdringen. Im Anschluss an die Lesung und das Gespräch mit den beiden tschechischen Autorinnen führt Ralf Pasch durch die Ausstellung. Der Abend zeigt, wie sehr Biographie und Geschichte miteinander zusammenhängen, und dass die Erlebnisse früherer Generationen nicht in Vergessenheit geraten sollten. Dafür möchten die Autorinnen und die Ausstellung einen Beitrag leisten.

(*) Vanessa-Marie Starker studiert Literatur und Geschichte an der Universität Erfurt. In den Semesterferien absolviert sie ein Praktikum beim Verein "Erfurter Herbstlese". Als „lonelyThougt“ betreibt sie ihren eigenen Blog.

Tschechisch-deutscher Abend bei der Frühlingslese

Fotos: Uwe-Jens Igel

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