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Erfurter Herbstlese
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Nov. 22 2016

MDR-Kulturredakteur Torsten Unger stellt bei Hugendubel "Johann Wolfgang von Goethe in Erfurt" vor

„Wohlempfangen, wohlgelitten“

Torsten Unger weiß als gebürtiger Erfurter um die Schwierigkeiten der Stadt im Umgang mit den Nachbarn von der Ilm. Er begegnet ihnen angemessen - mit Charme und Souveränität.
Torsten Unger weiß als gebürtiger Erfurter um die Schwierigkeiten der Stadt im Umgang mit den Nachbarn von der Ilm. Er begegnet ihnen angemessen - mit Charme und Souveränität.

Von Sigurd Schwager

In Weimar und um Weimar herum, wo man der Feier Goethes kaum entkommt, entdeckt man gelegentlich auch Schilder, auf denen geschrieben steht: "Hier war Goethe nicht". Diesen hohen Standard Goethe‘scher Präsenz wird Erfurt nie erreichen. Aber wer sich in der thüringischen Landeshauptstadt einmal auf Spurensuche begibt, der wird auf erstaunlich viel altes Gemäuer stoßen, das man mit Plaketten „Hier war Goethe“ oder „Hier traf sich Goethe mit . . .“ versehen könnte.

Der in Erfurt geborene Germanist und Goethe-Kenner Dr. Torsten Unger ist ein solcher Spurensucher aus Passion. Mit dem Gefundenen hat der langjährige MDR -Kulturredakteur, der gerade 60 geworden ist, nun sich selbst und vor allem der geneigten Leserschaft eine Freude in Buchgestalt gemacht: „Johann Wolfgang von Goethe in Erfurt“.

Es lag nahe, dass die Erfurter Herbstlese dem Autor anbot, seine jüngste Publikation am Anger 37 vorzustellen, also im Hause Dacheröden, wo einst Goethe zu Gast war und bald die Herbstlese ihren Sitz haben wird. Doch das schmale Bändchen weckte ein so breites Publikumsinteresse, das ein Umzug der Lesung in die Buchhandlung Hugendubel unumgänglich wurde.

Dort, am Anger 62, schaut nun Torsten Unger über die dichtgefüllten Reihen und sagt: „Es freut mich für Goethe. Es freut mich für Erfurt. Goethe und Erfurt haben das verdient.“ Erfurt sei schließlich in Goethes Leben mehr als nur eine Episode gewesen.

Vorn, in der ersten Reihe, sitzt Ungers Verleger Roland Krischke, seit kurzem Direktor des Lindenau-Museums in Altenburg. In der von ihm verantworteten Buchreihe „Stationen“ mit „Biografien für die Westentasche“, jede 72 reich illustrierte Seiten lang, ist „Johann Wolfgang von Goethe in Erfurt“ bereits die Nummer 23. Autor der Nummer 14 „Thomas Mann in Weimar“ war übrigens Torsten Unger.

Dieser beginnt seine Erfurter Goethe-Lesung mit Versen aus dem West-östlichen Divan:

Sollt‘ einmal nach Erfurt fahren,
Das ich sonst so oft durchschritten,
Und ich schien, nach vielen Jahren,
Wohlempfangen, wohlgelitten.

„Erfurt“, erfahren die Zuhörer, „ist eine Stadt, in der Goethe fast vierzig Mal gewesen ist und mit der ihn viele schöne Erinnerungen verbinden. Die Durchfahrten oder Durchritte sind dabei nicht mitgerechnet, sie würden die Zahl der Aufenthalte mehr als verdoppeln. Erfurt war für Goethe mehr als nur die größere Nachbarstadt seines Wohnortes Weimar. Dafür spricht nicht nur die Häufigkeit seiner Besuche, sondern auch die Vielzahl seiner amtlichen Tätigkeiten, die von der Wegebaudirektion bis hin zu regelmäßigen Gastspielen des Weimarer Hoftheaters, das Goethe leitete, reichten. Aus Erfurt hat Goethe außerdem Wein bezogen und durch die Erfurter Faust-Sagen Anregungen für sein berühmtes Werk bekommen.“

50 Jahre Goethe und Erfurt. Das Sachlich-Biografische würzt der Autor mit Anekdoten, zeitgenössischen Zeugnissen und Goethes Wort. Immer wieder unterbricht Torsten Unger kurz die Lesung, um Ausflüge in die Gegenwart zu unternehmen. Insbesondere die Erfurter Gastspiele des Weimarer Hoftheaters unter dem Direktor Goethe werden zu einem heiter-melancholischen Déjà-vu.

Natürlich nimmt der 2. Oktober 1808 in der damaligen Kurmainzer Statthalterei und heutigen Staatskanzlei einen breiten Raum ein: Goethes Treffen mit dem von ihm bewunderten Napoleon, der seinerseits das Werk des Dichters schätzte. Und auch die oft und gern zitierte Eckermann‘sche-Ettersberg-Passage vom 26. September 1827 darf nicht fehlen, schon gar nicht in Erfurt: „. . . dort unten im lieben Erfurt wie manches gute Abenteuer erlebt.“

Torsten Ungers Goethe-Fazit im Buch und an diesem Abend: „Weimar ist die Stadt seiner großen Werke. Erfurt aber ist die Stadt der großen Begegnungen gewesen.“ Es folgt ein Plädoyer, Erfurt endlich auch als Goethe-Stadt zu entdecken. Das stehe noch aus. Zwei Gedenktafeln seien ein bisschen wenig.

„Johann Wolfgang von Goethe in Erfurt“ ist dafür schon mal ein guter Anfang - und wäre beinahe sogar ein sensationeller geworden. Denn Torsten Unger verkündet, als er vom Ableben des Dichters berichtet, dieser sei in Erfurt gestorben. Nach dem Publikumsgemurmel korrigiert er seinen Versprecher sogleich im Stil des schönen Abends: freundlich-souverän.

Herzlicher Beifall vom kundigen Publikum, das sich von Torsten Unger auf angenehme Weise unterhalten fühlt.

Torsten Unger bei Hugendubel

Fotos: Uwe-Jens Igel

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