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Erfurter Herbstlese
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Okt. 29 2017

Rafik Schami gestaltet mit „Suppen für Syrien“ einen bewegenden Benefizabend

„Für Kinder immer“

Rafik Schami setzt auf seine ganze Popularität in Deutschland, um syrischen Kindern zu helfen. Eine von 40 Benefizveranstaltungen in diesem Jahr führte ihn auch nach Erfurt. Foto: Holger John
Rafik Schami setzt auf seine ganze Popularität in Deutschland, um syrischen Kindern zu helfen. Eine von 40 Benefizveranstaltungen in diesem Jahr führte ihn auch nach Erfurt. Foto: Holger John

Von Sigurd Schwager

In der mit interessanten Begegnungen ohnehin schon reich bestückten Geschichte der Erfurter Herbstlese wird dieser Abend wohl einen besonderen, einen Ehrenplatz erhalten. Und daran haben alle, ausnahmslos alle, die ins Atrium der Stadtwerke gekommen sind, ihren Anteil. Ein bewegender Abend, wo es doch nur um ein Kochbuch, ein Suppenbuch geht? Aber was heißt hier nur? Man muss den Buchtitel kennen: „Suppen für Syrien“.

Was es damit auf sich hat, erklärt der Dichter, der Herbstlese-Freund und Herbstlese-Stammgast Rafik Schami, der vor fast einem halben Jahrhundert aus Syrien fliehen musste und seitdem das Land seiner Geburt und Kindheit nie mehr betrat: Sein amerikanischer Verleger, sagt Schami, habe ihm 2015 auf der Buchmesse von der Fotografin und Kochbuchautorin Barbara Abdeni Massad und ihrem Projekt „Soup for Syria“ erzählt.

„Sie ist sehr erfolgreich in den USA, wohnt aber auch in Beirut. Dort in der Nähe ist ein Flüchtlingslager, in das sie öfter gegangen ist, um mit den Flüchtlingen zu kochen. Sie hat das Elend dort wahrgenommen und hatte die Idee, ein Charity-Kochbuch zu machen, um Geld zu spenden. Mein Verleger kam auf die Idee, weltweit Köche anzuschreiben, ob sie nicht ein Herz haben, kostenlos ein Rezept für das Buch zur Verfügung zu stellen.

Tatsächlich haben 70 Köche darauf reagiert. Er sprach mich an, ob ich meinen Namen für die deutsche Fassung gebe. Das mache ich gerne, für Kinder immer. Ich habe hier in Deutschland gefragt und prompt kam der DuMont-Verlag auf die großartige Idee, nicht nur das Buch zu verlegen, sondern auch alle Einkünfte für die Kinder zur Verfügung zu stellen."

Auch deutsche Köchinnen und Köche ließen sich nicht lange bitten. Sarah Wiener, Christian Rach, Nelson Müller, Elisabeth Raether und viele andere reicherten mit ihren Rezepten die deutsche Ausgabe „Suppen für Syrien“ an. Rafik Schami, der sich seit langem schon in der Flüchtlingshilfe engagiert, hat für das eindrucksvoll bebilderte Buch mit 80 Lieblingsrezepten aus aller Welt ein zu Herzen gehendes Vorwort geschrieben und war damit nach der Premiere im März in Köln das ganze Frühjahr über zwischen Zürich und der Nordseeküste unterwegs.

Jetzt im Herbst setzt er die große Benefiztour fort, und sie führt ihn natürlich auch in seine Lieblingsstadt Erfurt zu seinen Freunden von der Herbstlese. Wie überall kommen in Erfurt sämtliche Einnahmen der Veranstaltung und die Erlöse des zahlreich verkauften und von Rafik Schami gern signierten Suppenbuches syrischen Flüchtlingskindern zugute. Der Verein, der sich darum kümmert, trägt einen schönen Namen: Schams, die Sonne.

Rafik Schami beginnt seinen Buchtext mit den Worten: „Meine Mutter pflegte immer etwas mehr zu kochen, als wir essen konnten, und wenn wir sie fragten, weshalb sie es so gut meine, lachte sie. ‚Vielleicht kommt ein Gast, der sich freut, wenn er mit uns essen kann‘, sagte sie. Und fast immer kam ein Gast, selbstverständlich unangemeldet. Wir brachten ihm einen Teller und er setzte sich zu uns und aß mit. Selten blieb etwas übrig.“

Im Atrium liest der Dichter nicht aus diesem Vorwort. Das kann sein großes Publikum zuhause nachholen. Er macht lieber, was er am allerbesten kann: in alter arabischer Kaffehaustradition auf wunderbare und wundersame Weise Geschichten erzählen, heiter und spannend zugleich.

Die Zuhörer erfahren vom lebensnotwendigen Zusammenhalt in der lebensfeindlichen Wüste; vom Gastrecht, das heilig ist; von der Gabe der Rede, weil doch der Mund gegen die Stille der Wüste immerzu tätig werden muss. Vom Großvater und davon, wie dessen Brille mit in sein Grab gelangte, berichtet Schami; vom Vater, dem Bäcker; von der Mutter und den Brüdern. Von der Bibel und anderen Sachbüchern ist die Rede sowie vom ersten Radio der Familie.

Man lauscht gebannt, versinkt in den neuen Geschichten aus tausend und einer Nacht und tausend und einem Tag und wünscht sich, es möge nicht aufhören. Dass dennoch die offizielle Pause vom Zuhören nicht als störend empfunden wird, hat einen guten Grund, der sich geradezu anbietet: Ein Süppchen wird nämlich im Atrium gereicht.

Helfen und gleichzeitig genießen. Wir lernen: Das Buch und die Suppe - beide sind auch Nahrung für die Seele. „Eine Suppe tröstet“, hat Rafik Schami sein Vorwort zu dieser Suppenbuch-Idee überschrieben, die Grenzen überwand. Der Beifall für den Dichter  und seine Mission will nicht enden.

Rafik Schami im Atrium der Stadtwerke

Fotos: Holger John

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