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Erfurter Herbstlese
Es lebe die Erfurter Herbstlese!
Dez. 01 2014

Jan Weiler im Kaisersaal

Frohe Weihnacht überall

Jan Weilers „Berichte aus dem Christstollen“ sorgten im ehrwürdigen Kaisersaal für manche Lachsalve.
Jan Weilers „Berichte aus dem Christstollen“ sorgten im ehrwürdigen Kaisersaal für manche Lachsalve.

                               Von Sigurd Schwager

Nicht ohne meine Kolumne! – Viele tun es. Nur wenige können es.

Myriaden dieser Ich-erzähl-Ihnen-mal-was- aus-meinem-Leben-Beiträge überfluten heutzutage die Zeitungen und Zeitschriften. Und sind doch oft im günstigsten Fall nur kleine Geschwätzigkeitsorgien bar jeglicher Sinn oder wenigstens Unsinn stiftenden Meinung. Von mangelndem Humor nicht zu reden.

Jan Weiler ist, wenn auch kein Martenstein, so doch ein Kolumnen-Versteher, ein Kolumnen-Könner und ein Kolumnen-Verwertungsgenie. Seine Kolumnen „Mein Leben als Mensch“ gibt es als Zeitungstext in der „Welt am Sonntag“, im Bayerischen Rundfunk, im Netz, als Buch und Hörbuch – und, vom Autor höchstselbst vorgetragen und signiert, auf Lesereisen quer durch die Republik.

Mit seinem weihnachtlichen Kolumnen-Werk, erfassend die Zeit zwischen Martinstag und Aschermittwoch, und zu Buch gebracht als „Berichte aus dem Christstollen“, ist er am Abend des ersten Advent Erfurter Herbstlese-Gast im bis in die Ränge dicht gefüllten Kaisersaal. Der ist zwar von seiner Anmutung leider (noch) völlig weihnachtsfrei, dafür das Publikum umso weihnachtsfröhlicher.

Jan Weiler, der von der ersten Bühnensekunde an von einer Welle größter Sympathie getragen wird, eröffnet den Abend mit seinen poetischen Versuchen:

„Frohe Weihnacht überall,
Geschenkekauf in Überschall,
Honigduft und Nussgeknacke,
Wunschgezettel, Keksgebacke“

Das poetische Geschehen endet auf dem Weihnachtsmarkt, der auch der Erfurter sein könnte, so:

„Vater ist blau, er hört gar nicht.
Und hält kaum sein Balancegewicht.
Die Straßen sind noch nicht gefroren.
Es wachsen Zapfen aus den Ohren.“

Die dann folgenden Weilerschen Erzählungen aus seinem Weihnachtsleben sind wunderbar unanbiedernd heiter. Der Höhepunkt vielleicht:  Weilers Auftritt als Nikolaus in der  Klasse seines Sohnes Nick. „Das kann ruhig mal mein Mann machen, der macht ja sonst nix“, hatte die Gattin, die beste aller Ehefrauen (um Kolumnen-Urvater Kishon zu zitieren) dem armen Manne ans Herz administriert. Oder die Geschichte vom kleinen wehrlosen österreichischen Tier namens Germknödel: „Der hat vier Beine, aber die fallen ab, wenn man ihn kocht.“

Weiler hält sein treues Thüringer Publikum, das ihn mit Beifall überschüttet, weit über zwei Stunden  bestens bei Laune. Das ist mehr Zeit als man für das komplette Vorlesen des Christstollen-Büchleins benötigen würde. Deshalb mischt er andere Geschichten darunter, kommuniziert mit dem Publikum auf eine Weise, die mindestens so intensiv an Pointen ist wie das geschriebene Wort. Nicht nur mit der Sprache, mit seinem ganzen Körper haucht Weiler auf der Bühne dem Ich-Erzähler glaubhaft Leben ein. Augenzwinkern inklusive.

Dieser entspannte und entspannende Abend ist ein einziges ebenso großes wie freundliches Lachen. Manch einer, vor allem aber manch eine im Publikum konnte damit gar nicht mehr aufhören. Was auch sehr verständlich ist, bekommen doch mehrheitlich die Männer, in Sonderheit die Ehemänner, ihr wohlverdientes Fett weg.

Drei Zugaben sowie Liebeserklärungen des Autors an die Erfurter, die „noch superer“ sind als das Publikum im Rest der Republik. Und schließlich die reine Freude des Gastes über die obligaten geschenkten Brückentrüffel.

Dagegen haben die schönsten Schweine aus dem Dithmarschen nicht die geringste Chance.

Jan Weiler im Kaisersaal

Fotos: Holger John

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