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Sept. 21 2017

Gespräch mit Lutz Seiler, der heute den Thüringer Literaturpreis erhält

„Bei mir dauert alles sehr lange“

Der preisgekrönte Schriftsteller Lutz Seiler wuchs in Ostthüringen auf. Foto: Jürgen Bauer, Suhrkamp Verlag
Der preisgekrönte Schriftsteller Lutz Seiler wuchs in Ostthüringen auf. Foto: Jürgen Bauer, Suhrkamp Verlag

Heute Abend wird dem Lyriker, Erzähler und Essayisten Lutz Seiler im Erfurter Kultur: Haus Dacheröden der Thüringer Literaturpreis verliehen. Damit ehren der Freistaat und die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen zugleich das Werk eines Autors, der seine biografischen und literarischen Wurzeln in der Region hat. Bisherige Preisträger waren unter anderem Sigrid Damm, Ingo Schulze und Wulf Kirsten. Mit dem Autor von „Kruso“ sprach Ulrike Merkel, Kulturredakteurin bei der „Ostthüringer Zeitung“.


Herr Seiler, Sie haben einmal gesagt, je älter Sie werden, desto wichtiger wird Ihnen die Heimat. Nun bekommen Sie den Thüringer Literaturpreis. Was bedeutet Ihnen gerade dieser Preis?

Sehr viel, ich fühle mich geehrt und tatsächlich wahrgenommen in meinem Werk, zumal meine Herkunft für die Entwicklung meines Werkes so entscheidend gewesen ist. Im Grunde war die Erinnerung an die Kindheit mit dem zweiten Buch da, etwa die Erinnerung an den Ostthüringer Uranbergbau.

Zu Beginn Ihres Lebens haben Sie mit Ihren Eltern in Culmitzsch gelebt, einem Dorf, das dem Uranabbau weichen musste.

Genau, es wurde geschleift. Gerade in den letzten Monaten habe ich mich ziemlich intensiv mit dieser Culmitzscher Geschichte beziehungsweise mit der Geschichte meiner Großmutter beschäftigt, die dort gelebt hat und Weberin war.

Recherchieren Sie für einen neuen Roman?

Es könnte einer werden. Ich habe in dieser Thüringen-Recherche schon mit vielen Leuten gesprochen, vor allem aus meiner Familie. Mein Vater hat viele detaillierte Erinnerungen an seine Kindheit in Culmitzsch. Es ist ganz wichtig, jetzt mit dieser Generation zu sprechen, um die Erinnerungen zu bewahren.

Wird der Heimatverlust in diesem Roman das zentrale Thema sein?

Es geht im weitesten Sinne um Zeitenbrüche, um Umbrüche. Die Wismut-Geschichte ist da nur ein Kapitel. Auch die ganze Industrialisierung der Gegend durch die Textilindustrie gehört dazu. In den 20er-, 30er-Jahren spielte die Textilbranche eine große Rolle, auch in meiner Familie. Mein Vater hat noch selbst den Beruf des Webers gelernt. Es geht um Aufstieg und Untergang dieser Industrien, des Bergbaus und der Textilindustrie, nach der Wende. Und es geht um Biografien in diesen Zeitenwenden. Der Verlust des Heimatdorfes spielt dabei natürlich eine große Rolle. Das ist ein Stoff, den ich schon über eine lange Zeit verfolge und zu dem ich schon seit Jahren Material sammle. Das ist aber nicht das Buch, an dem ich sitze.

An welchem Buch schreiben Sie denn gerade?

Ich bin gerade in Ahrenshoop und versuche, einmal zusammenhängend Zeit zum Schreiben zu finden. Im weitesten Sinne wird es sich bei meinem neuen Roman um eine Nachwende-Geschichte handeln.

Ist es jene Geschichte, an der Sie verzweifelt saßen, bevor Sie sich dem „Kruso“-Stoff zuwendeten?

Ja, es ist dieser Stoff, die Jahre '89 bis '91 in Berlin. Im Zentrum des Ganzen steht eine Kneipe, in der ich damals gearbeitet habe, die "Assel". Damals war das die erste neue Kneipe in der Oranienburger Straße in Berlin Mitte.

Wann wird der Roman fertig sein? Können Sie das abschätzen?

Nein, bei mir dauert alles sehr lange. Es wird aber vorher ein kleines Bändchen geben, im Inselverlag. Das sind kleine Erzählungen, die zu Bildern und Fotografien entstanden sind.

Ihr Roman „Kruso“ wird vom MDR verfilmt. Sind Sie in das Projekt mit eingebunden?

Ich spiele eine beratende Rolle, bin aber nicht unmittelbar beteiligt. Das Drehbuch kommt von Thomas Kirchner, der auch das Drehbuch zum "Turm" geschrieben hat. Thomas Stuber, der kürzlich den Deutschen Filmpreis gewann, führt Regie und hat ein sehr gutes Team, sehr gute Schauspieler. In diesen Tagen wird gedreht.


Dieser Text ist eine gekürzte Fassung. Das vollständige Gespräch ist in der "Ostthüringer Zeitung" vom 21. September 2017 zu finden.


Biografisches: Lutz Seiler wurde 1963 in Gera geboren und wuchs in Culmitzsch, Korbußen und später in Gera-Langenberg auf. 2014 erhielt er für seinen Hiddensee-Roman "Kruso" den Deutschen Buchpreis. Als Leiter des Peter-Huchel-Hauses lebt er in Wilhelmshorst bei Potsdam und mit seiner Frau, einer schwedischen Übersetzerin, in Stockholm.

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