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Erfurter Herbstlese
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Nov. 12 2014

Herbert Feuerstein im Atrium der Stadtwerke

Die Dämonen des Herrn F.

Der Mann, der schon früh seinen Anarcho-Stachel löckte - Herbert Feuerstein im Atrium der Stadtwerke.
Der Mann, der schon früh seinen Anarcho-Stachel löckte - Herbert Feuerstein im Atrium der Stadtwerke.

Neun Leben will er haben, der Herr F., alias Feuerstein. Das behauptet er zumindest in seiner Autobiographie, der er, um ganz sicher zu gehen, gleich diesen Titel gab. Aber auch Herbert Feuerstein hat nur dieses eine Leben, das, für einen Komödianten wohl zwingend notwendig, nicht immer lustig war und ist. In seinem Buch finden sich viele Verweise darauf. Bei der Vorstellung des fast 400 Seiten starken Werkes im Atrium der Stadtwerke ist davon leider zu wenig zu hören.

Herbert Feuerstein gibt lieber den Hans Dampf. So hat er sich mit unzähligen TV-Auftritten eine feste Fan-Gemeinde erspielt. Insbesondere seine Show mit Harald Schmidt, das legendäre „Schmidteinander“, begründete seinen Ruf als intelligent-böser Scherzbold. Durchaus verständlich, dass er sein Biografie nicht auf die Kollaboration mit dem Todfreund verkürzt sehen möchte, doch mit Auftritten wie jetzt in Erfurt passiert ihm genau das.

Herbert Feuerstein hat ein, so weit das ein Außenstehender sagen kann, sehr ehrliches Buch geschrieben. Unaufdringlich berichtet er darin von seinen Dämonen, die ihn seit der Kindheit begleiten. Es ist zumindest traurig, wenn nicht sogar erschreckend, zu lesen, wie das Kind sich abschottet; der Junge, dem die Liebe der Mutter fehlt, und der sich dem Vater so rigoros entzieht. Der früh schon merkt, dass er die anderen zum Lachen bringen kann, einfach so, quasi aus dem Nichts. Der schnell beschließt, damit verdiene ich mein Geld.

Das ist alles trefflich notiert, die Sympathien des Lesers sind dem heranwachsenden Herbert gewiss. Bittersüße Erinnerungen könnte man das nennen. Und das Buch schafft es, diesen Ton beizubehalten. Die Jahre in Salzburg und Wien, später in den USA und dann in Deutschland: Was Herbert geschieht, ist lesenswert. Der Ärger mit dem Pleite-Verlag, die Zeiten wilden Experimentierens bei „Mad“, die ersten Schritte in Richtung Fernsehen zeigen einen anderen Mann, als den, den man zu kennen glaubt.

Den bekannten Feuerstein zeigt die Leinwand. Immer wieder unterbricht der Vorleser für kurze Schnipsel bewegter Bilder. Die sind, wie eigentlich immer bei Herrn F., so lange lustig, wie er nicht überzieht. Seine Attitüde, ob der Zuschauer sich auch noch die nächste absurde Steigerung gefallen lässt, ermüdet – früher mit den Jahren seiner TV-Präsenz, im Atrium schlicht mit der Fortdauer des Programms. Herbert Feuerstein übertreibt es beim Übertreiben.

Am Ende seiner Autobiographie steht eine „Schlussansprache“. Sie beginnt mit dem Satz: „Mag sein, dass ich bisschen viel über Düsternis und Einsamkeit geredet habe, über den Hang zur Depression und das Bedürfnis, mich zu verstecken.“ Ach Herbert, in Erfurt war nicht viel, war einfach zu wenig davon zu erleben.

Natürlich ist sein wiederholter Verweis auf das Buch richtig, klar kann man all die unausgesprochenen Dinge dort nachlesen. Aber einiges davon hätte man schon gern von ihm gehört. So bleibt nach fast drei Stunden Lebensbericht nur ein Rat: Lesen Sie, wenn Sie Herbert Feuerstein mögen, dieses Buch!

Wenn das indes seine strategische Marketing-Idee sein sollte, bedarf sie durchaus der Korrektur. Nicht wenige verließen den Ort des Geschehens im direkten Gang am Büchertisch vorbei. Das haben Buch und Autor nicht verdient.

Die Dämonen des Herrn F.

Fotos: Holger John

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