Friedrich Schorlemmers „Unsere Erde ist zu retten“ im Atrium der Stadtwerke
Die Würde des Menschen ist unantastbar
Von Birgit Kummer
Zwei Gedichte bildeten den Bogen des Abends im ausverkauften Atrium der Stadtwerke. Goethes Türmerlied „Zum Schauen geboren“ aus dem Faust II eröffnete ihn. Brechts Gedicht „Frühling“, das eine Blüte an einem dürren Ast beschreibt und von Vertrauen erzählt, setzte den Schlusspunkt. Vorgetragen wurden sie von Friedrich Schorlemmer, Theologe, Autor, Publizist und immer wieder gefragter Herbstlese-Gast.
Schorlemmer stellte sein neues Buch vor. „Unsere Erde ist zu retten. Haltungen, die wir jetzt brauchen.“ 160 Seiten, die mit einem Brief an Papst Franziskus beginnen und auf dessen Enzyklika „Laudato si“ und den Sonnengesang Franz von Assisis Bezug nehmen. Und die sich auseinandersetzen mit Ökologie und Ökonomie, mit DDR-Geschichte und aktuellen Entwicklungen.
Wie immer bei dem Publizisten aus Wittenberg erlebten die Zuhörer einen freien Vortrag in Interaktion mit dem Publikum.
Er riet, „nicht unentwegt auf die Wasserstandsmeldungen der Sintflut zu starren. Sondern das Lob des Lebens vornan zu stellen, das Lob der Sonne, der Erde, des Wassers und der Luft. Und sich auch die Endlichkeit bewusst zu machen. Die Sinne zu gebrauchen im Wissen darum, dass es ein Ende hat.“
Schorlemmers Plädoyer: den staunenden Blick zuzulassen. Sich jeden Tag neu auf die Schönheit der Welt einzulassen und die eigene Verantwortung dafür nicht aus dem Auge zu verlieren; bei der Bewahrung der Schöpfung, der Rettung der Erde, im eigenen Alltag und in der Gesellschaft.
So preist er das Bad im Fluss und die Blüten des Kirschbaums, die Gedichte von Goethe oder von Ingeborg Bachmann. Und kommt doch immer wieder zurück auf die Themen Verantwortung und Engagement. Das betreffe auch und besonders die Kirchen. Die Konfessionen sollten angesichts all der aktuellen Herausforderungen nicht in Streitigkeiten des 16. Jahrhunderts verharren, sondern die Gräben zwischen sich zuschütten, wünscht er sich.
Nicken bei Thomas Kretschmer vom Katholischen Forum Thüringen, das Mitveranstalter der Lesung war. „Wir Christenmenschen haben viele Schnittpunkte“, sagt er und zitiert Sätze von Seite 83 aus Schorlemmers Buch.
„Es reicht nicht zu schweigen, wenn die Vielen grölen, man muss selbst das Fällige sagen.“ Das Buch biete viele weitere kluge Sätze. „Bei Friedrich Schorlemmer verbinden sich auf besondere Weise Politisches und Spirituelles.“ Für ihn sei der Abend auch eine Antwort auf das aktuelle Herbstlesemotto „Fürchtet euch nicht?!“. Es werde gewiss weitere Kooperationen mit der Herbstlese geben.
Friedrich Schorlemmer gehört zu jenen Autoren, die sich im Anschluss an eine Lesung dem Publikumsgespräch stellen. So wurden die Freihandelsabkommen ebenso zum Thema wie der Erwerb von Monsanto durch den Bayer-Konzern, die US-Präsidentschaftskandidaten oder die Ereignisse am 3. Oktober in Dresden. An jenem Tag habe er sich fremdgeschämt, so Schorlemmer. Es stehe in Deutschland nichts weniger an als die Verteidigung des Grundgesetzes. Das beginne mit den Worten „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Davon seien viele der lautstarken Demonstranten weit entfernt. Er machte auch auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aufmerksam. Man habe sich schon vor vielen Jahren weltweit auf diese universellen Grundlagen menschlichen Zusammenlebens geeinigt, sie müssten nur gelebt werden.
Der Pfarrer und Autor ermuntert, nicht zu resignieren vor der Größe der Aufgaben und die Frage „Was bin ich schon? Was kann ich kleines Licht ausrichten?“ nicht zuzulassen. Sondern sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen, für den Schutz der Umwelt, für das Ehrenamt.
Auch wenn er nicht auf alle Fragen eine Antwort habe, könne er nur ermuntern: „Tu das Deine, dass es schön bleibt, das Leben.“
Friedrich Schorlemmer im Atrium der Stadtwerke
Fotos: Holger John