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Erfurter Herbstlese
Es lebe die Erfurter Herbstlese!
Dez. 01 2013

Großes Theater im Großen Haus

Mann großer Gesten und des feinen Witzes: Horst Evers brachte das Erfurter Theater so richtig zum Lachen. Foto: Holger John
Mann großer Gesten und des feinen Witzes: Horst Evers brachte das Erfurter Theater so richtig zum Lachen. Foto: Holger John

Eine gute Karikatur kommt mit wenig aus; nur ein paar Striche, gerade genug, dass man erkennt, was oder wer auf der Zeichnung zu sehen sind. Dazu vielleicht ein paar sparsame Worte. Alles zusammen ergibt eine Pointe, über die man lachen kann.

Eine gute Karikatur zündet also in zwei Stufen: Erst kommt das Erkennen der Situation, dann das Verstehen der Pointe, des Witzes. Mit anderen Worten, Karikaturist und Rezipient sprechen die gleiche Sprache.

Das ist eine hohe Hürde und ein Grund dafür, warum es so wenig wirklich gute Karikaturisten gibt. Ein guter Karikaturist muss ein begnadeter Beobachter sein, sonst gelingt die  Reduktion der Striche auf das Wesentliche nicht. Ohne diese gekonnte Reduktion ist ein Erkennen fast unmöglich. Doch ist ein guter Strich eben erst die halbe Miete: Es gibt viele, die gut zeichnen können, aber denen es an verständlichem Witz fehlt. Mutterwitz, um es deutlicher auszudrücken.

In der Sprache gibt es Parallelen zur Karikatur: Anekdoten, Witze und Glossen. Auch hier gilt oft, weniger ist mehr. Es bedarf einigen Handwerks, um diese Formen zu beherrschen. Am ehesten findet man sie inzwischen als Mischform, durch Länge und Breite des Zeitungsformats definiert, kurz als Kolumne.

Ein Meister dieser Form ist Horst Evers. Der Berliner, der vor über zwei Jahrzehnten aus Niedersachsen nach Berlin kam, zählt zu den drei Großen der Branche: Er und Hacke und Martenstein. Wobei je nach Geschmack, Alter und Geschlecht des Leser oder der Leserin noch andere Meister und Meisterinnen ins Feld zu führen wären. Das genannte Trio hat indes eines gemein: Wenn sie wollen, füllen sie Säle. Ganz locker, aber hallo!

Horst Evers beweist das bei der Herbstlese im Theater Erfurt, im Großen Haus, wie es so schön in der Fachsprache heißt. 800 Sitze hat es im Rang und im Parkett, alle Karten sind für diesen Abend verkauft. Auf den Plätzen haben 800 gut gelaunte Menschen Platz genommen, deren Stimmung im Laufe der Vorstellung immer besser wird.

Kritiker sind heute geneigt, großartige Darbietungen als großes Kino zu bezeichnen. Das träfe auch auf Horst Evers zu, wäre es nicht: großes Theater. Es ist nicht der Faust, ganz klar, aber es ist hervorragendes Spiel. Horst Evers arbeitet mit seiner variablen Stimme, als würde er sich selbst synchronisieren; er steht auf und erzählt seine Geschichten mit vollem Körpereinsatz. Was die Darstellung eines Windrades mit Theater zu tun hat? Bei Horst Evers stellt sich die Frage nicht.

Wovon er erzählt, ist dem Publikum nur zu bekannt. Es reicht schon ein kleiner Hinweis, und das Publikum kichert; es sind Sachen wie NSA oder Flughafenbau in Berlin, große Politik die, bei allem Respekt, auch die kleinen Leute interessiert. Oder Zeugs wie Urlaub, die „Königsdisziplin der Freizeit“. Horst Evers Themen sind die seiner Besucher, in  ihrem gemeinsamen Universum kreisen Schwimmbad, Elternabend, Arztbesuche und Heimwerkermärkte um die Sonnen Irrwitz, Katastrophe, Schlamassel und Beziehungsstress.

Gut, dass der Abend eine Pause vorsieht. Die Erholung tut gut, schon wegen der Frau, die sich seit Minuten drei Reihen weiter hinten überhaupt nicht mehr einkriegt. Kollektives Lachen ist schön, doch ein gemeinschaftlicher Lachkrampf stört doch ganz entscheidend den Fortgang des Programms. Gut erholt geht es in die zweite Hälfte, die doch die größere ist; zwei Zugaben sind schuld daran. Horst Evers hört nicht ohne einen Tipp für alle auf, die sich die Pointen nicht gleich merken konnten. Vieles kann man in seinem letzten Buch „Wäre ich du, würde ich mich lieben“ nachlesen.

Aber eben nicht alles, und schon gar nicht in so großer, ausgelassener Runde. Also, lieber Leser dieser Zeilen, wäre ich du, würde ich mir Karten für Horst Evers besorgen. Und falls das vor Weihnachten nichts mehr wird, dann wenigstens ein Hörbuch von ihm.

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