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März 20 2022

Arne Dahl eröffnet die Frühlingslese 2022 mit seinem Roman „Null gleich eins“

Kriminell gut

Spannend, spannender - Arne Dahl. Der Großmeister des Kriminalromans eröffnete bei Hugendubel am Erfurter Anger die 2022er Ausgabe der Frühlingslese. Foto: Uwe-Jens Igel
Spannend, spannender - Arne Dahl. Der Großmeister des Kriminalromans eröffnete bei Hugendubel am Erfurter Anger die 2022er Ausgabe der Frühlingslese. Foto: Uwe-Jens Igel

Von Sigurd Schwager

Die Frühlingslese beginnt diesmal kriminell. Besser gesagt: kriminell gut. Denn der Schwede Arne Dahl kommt nach Erfurt. Weil es sich beim aktuellen Lese-Tatort um Hugendubel am Anger 62 handelt, besucht der Berichterstatter vor dem Abend in der Buchhandlung zunächst deren Online-Auftritt und wird statistisch fündig. Das Suchwort „Kriminalromane“ führt bei Hugendubel zu unübersichtlichen 401 760 Treffern, „Neue Kriminalromane“ sind 4175 erfasst.

Der dritte Versuch gilt „Arne Dahl“. 107 Angebote in Wort, Ton und Bild reihen sich im digitalen Regal. Die Nummer 1 ist dabei für Dahls jüngstes Werk „Null gleich eins“ reserviert, und das Ende ziert als Platz 107 „Murder at the Savoy“, die englische Ausgabe eines Krimi-Klassikers von Per Wahlöö und Maj Sjöwall, den die deutsche Leserschaft seit einem halben Jahrhundert unter dem Titel „Und die Großen lässt man laufen“ kennt. Für das Buch hat Arne Dahl einen begleitenden Text verfasst.

„Null gleich eins“ und Wahlöö/Sjöwall finden dann auch an diesem Erfurter Frühlingslese-Abend zueinander. Arne Dahl, mit Millionenauflage längst selbst eine feste Größe der internationalen Krimiszene, würdigt das große schwedische Autorenpaar als prägende Wegbereiter der skandinavischen Kriminalliteratur. Man merkt es an den Reaktionen im Saal, dass sich gerade der ältere Teil des Publikums gern und vielleicht etwas wehmütig an spannende Krimistunden mit Kommissar Martin Beck & Co., mit tiefgründigen Figuren und Geschichten erinnert.

Wie im Leben so im Krimi: Natürlich war früher nicht alles gut und ist heute nicht alles schlecht. Es gab gute Autorinnen und Autoren, und es gibt sie immer noch und immer wieder. Doch angesichts der schieren Flut an Neuerscheinungen neigen heute selbst dem Krimi wohlgesonnene Menschen dazu, mit dem scharfsichtigen Karl Kraus leicht abgewandelt zu seufzen, woher man nur all die Zeit nehme solle, so viele Krimis nicht zu lesen. All den Trash der talentfreien Trittbrettfahrer.

So gesehen ist der sanfte Satz, den Herbstlese-Programmchefin Monika Rettig am Ende des Erfurter Abends über Arne Dahl spricht, einer höchsten Lobes: „Er gehört zu den lesenswerten Krimiautoren.“ Die dem vorausgehenden sehr unterhaltsamen und zu viel Beifall herausfordernden 100 Minuten beglaubigen es auf ihre Weise. Das zahlreich erschienene und konzentriert zuhörende Publikum erlebt einen Star ohne Allüren, einen selbstbewussten Mann, der weiß, was er kann, nachdenklich das Wort wägend, charmant, freundlich und humorvoll. Er kokettiert nicht mit seinem Alter, das man ihm nicht ansieht.

Und einen Dolmetscher braucht der Doktor der Literaturwissenschaften Jan Arnald, wohnhaft in Stockholm und Berlin, schon gar nicht. Arnald alias Arne Dahl könnte ohne Mühe den Alleinunterhalter geben, aber er braucht es zum Glück nicht. Ihm zur Seite sitzt die Kritikerin, Autorin und Moderatorin Margarete von Schwarzkopf, deren Gesprächskünste schon oft in Erfurt zu bewundern waren. Pointierte Sachkunde trifft Unterhaltsamkeit.

Eine Schriftsteller-Karriere wird besichtigt. 20 Romane in den letzten 24 Jahren. „Alle dick. alle spannend“ fasst die kundige Kritikerin in Erfurt kurz und bündig zusammen. Da ist das in Stockholm ermittelnde A-Team, dessen Ruhm eine eindrückliche Filmserie noch weiter in die Welt trägt, gefolgt von der internationalen Opcop-Gruppe und schließlich dem Ermittlerduo Sam Berger & Molly Blom.

Im neuen mysteriösen Fall taucht an der Stockholmer Schärenküste jeweils am Fünften des Monats eine Leiche auf. Abgründe des Größenwahns tun sich auf, denn Dahl thematisiert hier das ewige menschliche Streben nach Unsterblichkeit.

Arne Dahl liest, was eine gute Idee ist, in Erfurt in seiner Muttersprache kurze Passagen aus den Kapiteln vier und neun. Margarete von Schwarzkopf übernimmt dann jeweils den Vortrag auf Deutsch. „Null gleich eins“ ist das Finale der Berger & Blom-Reihe. Aber keine Angst: Der nächste Dahl kommt bestimmt. Er habe da so eine mögliche Idee für die Zukunft, erzählt der Autor. Wer seinen neuen Roman schon bis zum letzten Satz gelesen hat, der ahnt, was und wer da kommen könnte.

Als Arne Dahl seinen Herzenswunsch schildert, dass eine geplante, von Corona leider auf Eis gelegte BBC-Serie gelingen möge, hat er das komplette Frühlingslese-Publikum auf seiner Seite. Überhaupt die Pandemie: Plötzlich, sagt Dahl, lebten alle Menschen wie Autoren. Für ihn sei es schwieriger gewesen als vermutet. Er habe sich die Frage gestellt, ob er überhaupt noch lebe. Umso schöner sei es nun, wieder die Leserinnen und Leser zu treffen.

Und natürlich darf in Erfurt auch die Frage nicht fehlen, warum skandinavischen Kriminalromane im Allgemeinen und im Speziellen die Bücher der schwedischen Stars Henning Mankell, Hakan Nesser, Jo Nesbo, Asa und Stieg Larsson sowie Arne Dahl so überaus erfolgreich sind. Arne Dahl lächelt: „Es ist bei uns dunkler, halbdunkel.“ Dunkelheit, auf die Licht folge. Das sei wohl die beste Erklärung. Margarete von Schwarzkopf bringt ergänzend die kindliche Angst vor dem Keller ins Spiel. Auch in „Null gleich eins“ gebe es wieder viele Keller. Arne Dahl nickt und spricht dann doch einmal kurz über sein Alter in Betrachtung des Weltenzustandes. Je älter er werde, desto mehr glaube er, dass das Böse tatsächlich existiere.

Der Berichterstatter muss an dieser Stelle an ein Interview denken, in dem Arne Dahl nach seinem Lieblingsautor gefragt wird. Die Antwort: „Wäre es schrecklich langweilig, Shakespeare zu sagen? Ich glaube, dass jeder Krimiautor einmal im Jahr Macbeth lesen sollte. Nur um nie zu vergessen, worum es wirklich geht. Töten ist und bleibt das Schrecklichste im Leben, und niemand zeigt uns dies besser als der Meister selbst.“

 


Arne Dahl „Null gleich eins“
ISBN: 3492059295
Piper Verlag
17,00 €

 

Das Buch kann unter diesem Link bei unserem langjährigen
Partner Hugendubel erworben werden.

 

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