Mit Stefan Tomik auf dem Erfurter Flughafen
Beifall für eine doppelte Premiere
Von Sigurd Schwager
Wer ein Buch öffnet und dessen Welt der Worte lesend betritt, für den beginnt eine Reise. Manchmal ist sie nur kurz, eine Enttäuschung, ein Missverständnis. Aber manchmal trägt uns das Buch fort. Wir erleben dann einen aufregenden Flug ins Ungeahnte, von dem wir uns wünschen, er möge so bald nicht enden.
Das Wort, wissen auch die Herbstlese-Macher, sucht sich den Ort. Also entwickelt sich das Flugwesen wortwärts, indem Flughafen Erfurt-Weimar und Herbstlese jetzt kooperieren. Ergebnis: Erstmals füllt sich an diesem Abend die gläserne Abfertigungshalle in Bindersleben nicht mit quirligen Reisenden und deren Koffern, sondern mit gelassenen Damen und Herren, die ausschließlich ihre Bücherneugier im Gepäck haben.
Es ist eine doppelte Premiere: Am neuen Ort liest ein Autor, der sein Herbstlese-Debüt gibt. Stefan Tomik, Politikredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, stellt seine Reisereportage „Unter Engeln und Wasserdieben“ vor. Er beschreibt darin seine blasenreiche Wanderung auf dem Israel National Trail. Tausend Kilometer zu Fuß, durch Israel von Süden nach Norden, zehn Wochen in zwei Etappen.
Tomik ist kein literarischer Weltenwanderer wie etwa Wolfgang Büscher, der im Vorjahr zur Herbstlese aus seinem hellsichtigen „Frühling in Jerusalem“ las. Der Reisende Tomik bleibt bei seinem beruflichen Handwerk. Die Vermessung der Welt ist bei ihm eine journalistische.
Faktenreich, sachlich, unaufgeregt, freundlich-heiter und nicht zuletzt uneitel – der Leser begleitet Tomik gern und interessiert auf seinen strapaziösen Wegen.
Der Autor liest in Erfurt von den Wasserdepots, die er in der Wüste anlegt, von seiner Kurzzeit-Karriere als Landarbeiter im Kibbuz und von einer feministisch-orthodoxen Hochzeit. Er erzählt von den titelstiftenden Wasserdieben und Trail Angels. Fotos und ein Video ergänzen in Erfurt eindrücklich das gesprochene Wort.
Natürlich ist „Unter Engeln und Wasserdieben“ ein Israel-Reisebuch und als solches ein gute Handreichung für konditionsstarke Wanderer. Aber in einem so konfliktbeladenem Land, in dem die Antworten auf Fragen immer nur aus neuen Fragen bestehen (Tomik), kann man das Politische nicht ausblenden. Es wandert gewissermaßen auf Schritt und Tritt mit.
Debütant Tomik macht in Erfurt eine ziemlich gute Figur. Das zahlreich erschienene Publikum dankt ihm mit herzlichem Applaus. Auch die Gastgeber in Bindersleben kommen gut weg. Herbstlese-Programmchefin Monika Rettig erntet ungeteilte Zustimmung, als sie die zwischen Flughafen und Herbstlese frisch geknüpften Bande als den Beginn einer wunderbaren Freundschaft bezeichnet.
Das hört man gern. Über den Wolken . . .
Stefan Tomik im Terminal des Flughafens Erfurt-Weimar
Fotos: Uwe-Jens Igel