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Erfurter Herbstlese
Es lebe die Erfurter Herbstlese!
Mai 27 2020

Vorgestellt von Karen Lottegier, Buchhändlerin

Tami Weissenberg „Darjeeling Pur“

Tami Weissenberg „Darjeeling Pur“
Tami Weissenberg „Darjeeling Pur“

Gerade habe ich „Darjeeling Pur“ von Tami Weissenberg gelesen, und ich fühle mich noch immer ganz unwohl. Das Buch erzählt die Geschichte des Autors: Wie er eine Frau kennenlernt, aber viel zu spät entdeckt, dass sie eigentlich gar nichts Gutes im Sinne hat. Ihre Beziehung wird für ihn die Hölle. Nach und nach verliert er seine Unabhängigkeit, bis er nicht mehr weiß, wie er sich noch aus dieser zerstörerischen Situation retten kann.

Bei dem Thema „häusliche Gewalt“ denkt man sehr schnell an eine Frau, die von ihrem Mann misshandelt wird. In diesem Buch ist es aber andersherum. Tami Weissenberg schafft es auf eine klare Weise zu beschreiben, was alles mit ihm passiert. Er tut dies auf eine nüchterne Weise, ohne die Begebenheiten auszuschmücken. Er erzählt einfach, was passiert. Und genau das tut beim Lesen weh. Man ist erschüttert darüber, wie weit Menschen gehen können.

Als Leser weiß man natürlich schon vor der Lektüre, worum es im Buch gehen wird. Das wird im Klappentext ziemlich gut wiedergegeben. Deswegen ist man sofort auf der Hut, wenn man die Frau, die ihm noch so viele Schmerzen zufügen wird, kennenlernt. Man denkt sich ständig: „Siehst du das denn nicht?“ oder „Warum verlässt du sie nicht einfach? Jetzt wäre doch passend. Man merkt doch, dass hier etwas falsch ist!“, aber der Protagonist läuft mit geöffneten Augen in die Falle. Das war für mich manchmal sehr schwer zu verstehen und hat mich beim Lesen auch oft ziemlich aufgewühlt. Für den Protagonisten aber ist das alles gar nicht so einfach. Er hat eine emotionale Beziehung zu dieser Frau aufgebaut, die ganz genau weiß, wie sie Menschen manipulieren kann, bis sie tun, was sie will, und sich so vollständig von ihr abhängig machen lassen, bis sie keinen Ausweg mehr sehen.

Das Buch ist über weite Strecken sehr hart. Die Szenen, in denen beschrieben wird, wie sie ihn körperlich quält, fand ich schwierig zu lesen. Man weiß halt, dass das, was man liest, wirklich passiert ist, und man weiß, dass so was leider viel zu oft geschieht. Ich wollte manchmal einfach den Kopf wegdrehen oder das Buch durch den Raum schleudern, um es danach nie wieder aufzuschlagen.

Aber es ist wichtig, dass dieses Thema aufgegriffen wird, ohne es zu glätten und bestimmte Sachen wegzulassen, damit es erträglicher wird. Man darf seine Augen nicht vor der Realität verschließen. Und das hat der Schriftsteller hier ganz gut hingekriegt. Er hat seine negativen Erfahrungen aufgeschrieben und damit für alle zugänglich gemacht, damit man mit der Problematik konfrontiert und das Tabu gebrochen wird.

Nachdem man dieses Buch gelesen hat, kann man nur Respekt haben für den Autor, der es geschafft hat, seine zutiefst persönlichen Erlebnisse so verständlich und treffend darzustellen. Es ist grausam, was ihm widerfahren ist, aber bewundernswert, dass er den Mut gefunden hat, das Ganze mit unbekannten Lesern zu teilen.

Karen Lottegier arbeitet als Buchhändlerin bei Hugendubel am Erfurter Anger.

 

 

Tami Weissenberg „Darjeeling Pur“
Telescope Verlag, 175 Seiten, Taschenbuch
ISBN 978-3959151122
11,90 Euro

 

Das Buch kann unter diesem Link bei unserem langjährigen
Partner Hugendubel erworben werden.


 

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