Christiane Hoffmann „Alles, was wir nicht erinnern"

Winter 1945. Auf der Flucht vor der Roten Armee legen die Dorfbewohner Rosenthals 550 km zurück. Eine Flucht, die das Leben des damals neunjährigen Walter Hoffmann, wie auch später das seiner gesamten Familie prägt. Alpträume übertragen sich auf die nachfolgende Generation und hinterlassen Wunden, die bleiben. Doch was bleibt von der Erinnerung und wie geht man mit diesem Schicksal heute um?
Zu Fuß? Zu Fuß. Allein? Allein.

Nach dem Tod ihres Vaters ist Christiane Hoffmann im Januar 2020 aufgebrochen, um den Fluchtweg ihres Vaters von 1945 nachzulaufen. Auf der Suche nach Menschen, die sich an die Flüchtlinge erinnern, läuft sie 550 km von Rosenthal in Schlesien (heute Rózyna) bis fast nach Bayern, kämpft sich durch sumpfiges Gelände und entdeckt kleine, beschauliche Städte. Sie wird eingeladen, in gute Stuben, Küchen und Museen, und führt mit Deutschen, Tschechen und Polen Gespräche über damals und heute, über Vertreibung, Heimatverlust und Neubeginn, aber auch über Europa. Wird sie gefragt, ob sie in einem Auto mitfahren will, lehnt sie ab. Ein beschwerlicher Weg, um das Schicksal des Vaters zu verarbeiten.

In ihrem Buch „Alles, was wir nicht erinnern“ schreibt Christiane Hoffmann in mehreren Ebenen und vereint damit ihre Erlebnisse vor Ort mit der eigenen Familiengeschichte, der Historie und Zeitzeugenberichten. Ein sehr persönliches Buch über eine Vater-Tochter-Beziehung, Flucht und Heimat. Geschrieben in einer ganz wunderbaren literarischen Sprache berührt das Buch zutiefst, vor allem, wenn man ein ähnliches Schicksal aus der eigenen Familiengeschichte kennt.

Am 17. November 2022 war die Journalistin und stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung Christiane Hoffmann zu Gast im Kultur: Haus Dacheröden in der Veranstaltungsreihe „Wenn jemand eine Reise tut…“. An dem ausverkauften Abend und einem gerührten Publikum aus fast allen Generationen wurde deutlich, dass die Autorin mit ihrem Buch einen Nerv getroffen hat. Unbedingt lesenswert.

Vorgestellt von Juliane Güttler, Geschäftsleitung Kultur: Haus Dacheröden