vorgestellt von Judith Blatt, Literaturwissenschaftlerin
Daniela Krien „Der Brand"

Sie ist ihm in den Rücken gefallen, als er sie gebraucht hat, sagt Peter.
Er hat seine Gelassenheit verloren, sagt Rahel, sein Humor ist einem Zynismus gewichen. Vor allem hat er aufgehört, mit ihr zu schlafen.
Drei Wochen Uckermark – der Urlaub soll zeigen, ob ihre Beziehung zu retten ist. Rahel hat Angst, ihn zu verlieren. Doch der Mann, in den sie sich vor dreißig Jahren verliebte, hat sich schon lange zurückgezogen, ist still, aber freundlich, manchmal zu freundlich. Also fahren sie auf den Hof, auf dem Rahel große Teile ihrer Kindheit verbracht hat. Hier, bei der besten Freundin ihrer Mutter und deren Mann, einem Künstler, fühlte sie sich immer aufgehoben. Viktor ist in der Reha nach einem Schlaganfall, Ruth begleitet ihn – und weiß den Hof bei Rahel und Peter in guten Händen.
Peter übernimmt die Tiere, sie den Garten. Morgens geht er im nahegelegenen See schwimmen, Rahel liest, macht Sport und kocht. Äußerliche Idylle, innerliche Leere. Die einohrige Katze bekommt die Nähe von Peter, die Rahel sich wünscht. Als sich spontan auch noch die gemeinsame Tochter Selma mit ihren zwei kleinen Söhnen ankündigt, zu der Rahel kein gutes Verhältnis hat, kommen in ihr immer mehr Gedanken an ihre Kindheit, an die eigene Mutter hoch.
„Meinst du, wir sind wie Großmutter?“, wird Selma Rahel später fragen. In den Nachkriegsjahren in Dresden und der aufstrebenden DDR aufgewachsen, hatte diese ein unstetes Leben geführt, das ihr fortwährend als ‚Nie genug‘ erschien. Rahel probierte ein Gegenmodell – aber wie kann man den eigenen Ansprüchen als Mutter gerecht werden, wenn die Grenze öffnet und man im neuen System den eigenen Platz erst noch finden muss?
Inmitten einer vielleicht banal anmutenden Krise zwischen zwei Menschen wirft Daniela Krien immer wieder kritische Fragen auf und spürt dem Einfluss von Gesellschaft und Politik auf Bedürfnisse und Ängste mehrerer Generationen nach.
Dafür zeichnet sie eine nachdenkliche, willensstarke Frau, durch deren Augen die Leser und Leserinnen in die Geschichte eintauchen – und einen Ort, der Veränderung bereithält.
Daniela Krien „Der Brand"
ISBN: 325707070489
Diogenes Verlag
22,00 Euro
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