Der Bestseller-Autor ist im Theater Erfurt in bester Plauderstimmung
Der doppelte Fitzek
„Ein Blick ins Buch und zwei ins Leben, das wird die rechte Form dem Geiste geben“, reimte einst Goethe. Bezogen auf seine literarischen Nachfolger möchte man sagen: lieber nicht; was Sebastian Fitzek seine Leser in diversen Thrillern durchleiden lässt, soll bitteschön Fiktion bleiben. Die ist schon gruselig genug.
Dem Bestseller-Autor mögen manchmal ähnliche Gedanken kommen. So steht er vor 800 Menschen am Bühnenrand des Erfurter Theaters und redet beruhigend auf sein Publikum ein. Keiner muss sich sorgen, der so etwas liest. Denn ohne Empathie, ohne Mitleid, wäre die Lektüre ja nicht so unheimlich; die echt durchgeknallten Typen haben gar keine Freude am Lesen seiner Bücher, verspricht er.
Hoffentlich ist das so, hoffentlich ist das alles nur ausgedacht. Seit Jahren fesselt Sebastian Fitzek seine Leser mit Geschichten, die verstören. Es geht nicht einfach nur um Mord und Totschlag, es geht um die Existenz des Bösen in dieser Welt schlechthin. Getreu der alten Thriller-Weisheit, wenn du denkst, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, dann lies erst einmal die nächsten Seiten . . .
Der Autor weiß um die Wirkung seiner Bücher. Vielleicht auch deshalb wird bei ihm nicht vorgelesen. Er erzählt lieber; vom Schreiben und seiner Familie, wie er zu seinen Stoffen kommt und – ganz wichtig – wie seine Figuren beginnen, sich zu emanzipieren, ihr fiktives Leben selbst in die Hand nehmen.
So ab Seite 80 ist das in der Regel so. Spätestens. Das kann nicht immer gut gehen. Wie zum Beispiel bei „Passagier 23“. Da läuft die Handlung auf dem Kreuzfahrtschiff aus dem Ruder. Nüchtern betrachtet lässt sich der an Bord gerufene Psychiater nicht mehr ohne logische Brüche steuern. Seinem Autor bleibt kein anderer Ausweg, als noch einmal von vorn zu beginnen.
Die Schlüssigkeit der Handlung ist für Sebastian Fitzek dabei unverzichtbar. Der Leser muss glauben können, was er liest. Gerade wirkliche Geschichten sind aber manchmal so unglaublich, dass der Schriftsteller lieber auf sie verzichtet. So berichtet er von einem Fall aus einem Polizei-Handbuch, bei dem sich die Ordnungshüter während einer Entführung in der Haustür irren. Der Täter, der aufgeben will, wird nicht aus seinem Haus gelassen; ein Polizist knallt ihm die Wohnungstür vor der Tür zu, schließlich laufe gerade ein Polizeieinsatz.
Doch zurück zum literarischen Personal. Auch in seinem letzten Roman machen Sebastian Fitzek Figuren irgendwann, was sie wollen. Da sein Hauptheld dieses Mal aber selbst Thriller-Autor ist, hat das lustige Implikationen. Dieser Max Rhode ist leider nicht so erfolgreich wie sein geistiger Vater. Mit einer Ausnahme: sein Erstling „Die Blutschule“ hat sich gut verkauft. Sebastian Fitzek stellt ihn seinem Publikum mit Hilfe zwei gelesener Passagen vor. Dann kommt, zum Ende hin, der Knalleffekt: Max Rhode ist sein eigenes Pseudonym.
Nun gut, die echten Fans des Autors wissen das, schließlich wurde dieses Geheimnis bereits zur Frankfurter Buchmesse gelüftet. Dennoch, wie sich der Abend zu diesem Moment hin aufbaut, zeigt die meisterlich-konstruktiven Fähigkeiten des Herrn Fitzek. Und weil wir gerade darüber reden: Die Stelle, die er dann aus „Die Blutschule“ vorträgt, hört sich wirklich anders an als „Das Joshua Profil“.
Wie es bei guten Sachen eben ist, die 90 Minuten vergehen wie im Flug. Zum Schluss bittet der Autor noch um Fragen, wenn er sein Publikum noch nicht „zugequatscht“ haben sollte. Es geht dann um Filmrechte und Vorbilder und welches seiner Bücher sein liebstes ist.
„Das ist wie mit meinen drei Kindern“, sagt Sebastian Fitzek, „immer wieder ein anderes“. Dann fügt er hinzu: „Nie alle auf einmal“. Schluss, Ende Applaus. Danach beginnt die zweite Halbzeit. Nachspielzeit inklusive.
Sebastian Fitzek im Theater Erfurt
Fotos: Uwe-Jens Igel