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Erfurter Herbstlese
Es lebe die Erfurter Herbstlese!
Nov. 07 2013

Ein magischer Ort

Ein magischer Ort
Ein magischer Ort

Wie wird man Schriftsteller? Der Engländer Jonathan Stroud hat dafür ein denkbar einfaches Rezept. Man setzt sich früh um neun Uhr an seinen Schreibtisch und beginnt sein Tagespensum. Fünf Seiten sind das Ziel. Schreibblockade? Ein Spaziergang hilft. Und so, nach vier, fünf Monaten, ist der Papierstapel dick genug; das Buch ist fertig.

So einfach schreibt es sich? Wenn man es kann – und es sich traut. Auch der Engländer hatte zunächst einen richtigen Beruf. Als Lektor betreute er die Bücher anderer, zum Schreiben blieb ihm nur die Freizeit. Bis seine Frau ein Einsehen hatte. Er durfte ein Jahr Auszeit nehmen, um sich als Autor zu versuchen. Kein kleines Risiko für die vierköpfige Familie, doch zusammen schafften sie es.

Inzwischen gilt Jonathan Stroud als einer der angesehensten Jugendbuch-und Fantasy-Autoren der Welt. Die Abenteuer des Bartimäus, eines Dschinns der neunten Kategorie, haben ihn berühmt gemacht. Nach vier Bänden mit der überaus vorwitzigen Wesenheit – den Begriff Dämon hören er und seinesgleichen nicht gern –, nach Zaubererfehden im Goldenen Prag und in Jerusalem, nach Kämpfen mit Golems, Afriten und ihren fiesen Beschwörern, kurz, nach dem Bartimäus mit Hilfe von Kitty und Nathaniel mal wieder die Welt gerettet hat, ist es Zeit, eine neue große Geschichte zu erzählen.

Es ist die Geschichte von Lockwood und Co., einer Agentur für Geisterjagd in London. Der erste Band der Saga – „Die seufzende Wendeltreppe“ – ist gerade erschienen. Nun reist Jonathan Stroud durch Amerika, Großbritannien und Deutschland, um sein jüngstes Werk vorzustellen. Am Mittwoch macht er in Erfurt Station. Für einiges Stunden verwandelt sich die profane Aula des Ratsgymnasiums in einen magischen Ort voll knisternder Phantasie.

Der Engländer kommt nicht allein. Als Verstärkung hat er Judith Hoersch und Marc Langebeck an seiner Seite. Sie, die Schauspielerin, hat bereits das Hörbuch eingelesen, und leiht auch in Erfurt den neuen Haupthelden Lucy, Anthony und George ihre Stimme. Er, der Moderator, ist vielen als Gastgeber der Kika-Sendung „Quergelesen“ bekannt; gekonnt und charmant führt er durch den Abend und übersetzt auch für Jonathan Stroud und das Publikum.

Das geht erstaunlich gut. Viele Erwachsene machen es sich mit englischsprachigen Autoren schwer. Immer wieder ist bei der Herbstlese zu erleben, dass selbst bekannte Autoren, so sie sich der englischen Sprache befleißigen, bei weitem nicht den Zuspruch bei ihren Lesungen erfahren, den sie ohne Zweifel verdienen. Bei den Jugendlichen ist das anders. Sie lassen sich von der fremden Sprache nicht abschrecken.

Das Trio auf der Bühne macht es ihnen aber auch alles andere als schwer. Jonathan Stroud, selbst zweifacher Vater, stellt sich ganz in den Dienst seiner Helden; er wirkt kompetent, ist sehr freundlich, ein kleines bisschen schüchtern und spricht oft mit feiner Ironie. Er ist: very british. Die anderen zwei stehen ihm in ihren Parts nicht nach. Es ist ein wunderbares, ein gelungenes Vergnügen, den dreien zuzuhören.

So überrascht eine der ersten Fragen, die die jungen Leute im Anschluss an die Lesung stellen, nicht: Wird es weitere Bände über das Geisterjäger-Trio geben? Natürlich, verspricht Jonathan Stroud. Der zweite Teil soll  in einem Jahr in den Bücherregalen stehen. Der Titel steht schon fest: „The screaming scull“ soll das Werk heißen. Mal sehen, ob der Totenschädel in der deutschen Übersetzung zetert, brüllt, kreischt oder wie auch immer vor sich hingreint.

Mit der Zeit und neuen Bänden sollen dann die großen Geheimnisse der Saga erhellt werden: Warum wird England überhaupt von der Geister-Plage heimgesucht, wieso können nur junge Leute sie bekämpfen? Es bleibt spannend.

Nach der Lesung ist vor dem Signieren. Gut anderthalb Stunden sitzt Jonathan Stroud am Tisch im Foyer und schreibt fleißig seinen Namen. Das dauert, weil er sich für seine Fans viel Zeit lässt und geduldig alle Fragen beantwortet. Der Fan in ihm selbst muss das ertragen. Es ist inzwischen halb neun Uhr, gleich spielt seine Mannschaft, Arsenal London, in Dortmund um das Bestehen in der Champions League. Doch ihm ist um seine Gunners nicht allzu bange. Eins zu null für sein Team tippt er.

Zwei Stunden später weiß die Welt: Auch da hat er recht behalten.

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