Eine Mütze wie eine gestrickte DDR
Es gibt Dinge, die lassen sich schwer bis gar nicht erklären. Man kann sich selbst nicht kitzeln, ist eines davon. Anderes ist leichter zu verstehen. Dass Prominente ein Buch schreiben, zum Beispiel. Die Versuchung ist einfach zu groß; in Zeiten, in denen Prominenz der halbe Verkaufserfolg ist, lassen sich so leicht ein paar Euro verdienen. Aber nicht alles, was finanziell geraten erscheint, muss deshalb gleich zweifelhaft oder schlecht sein. Ein gutes Beispiel dafür ist Katrin Bauerfeind.
Die schöne Schwäbin hat sich fleißig in die vordere Reihe der Moderaten-Elite der Republik vorgearbeitet. Vielleicht noch nicht ganz in die erste, doch sie wird von mehr und mehr Zuschauern für ihre fröhlich-direkte Art geschätzt. Mit 31 ist sie noch immer ein frisches Gesicht, und doch schon reif für das große Format. Das hat Gründe, die sich auch in ihrem ersten Buch wiederfinden. Am Samstag stellte sie es bei der Frühlingslese im Gewerkschaftshaus vor. Ohne Zweifel mit großem Erfolg.
Ihr Geheimnis sind Inhalt und Präsentation gleichermaßen. Das Buch vom Scheitern ist eine Sammlung kurzer Texte, wie man sie nur zu gut aus den Kolumnen diverser (Frauen-)Zeitschriften kennt. Da ist es fast zwangsläufig, dass sich die gut 200 Seiten nicht auf einen Ruck lesen lassen. „Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist“, notierte Theophrastus Bombastus von Hohenheim, der wie die Bauerfeind schwäbische Wurzeln hat, schon vor fast 500 Jahren. Das macht „Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag“ zum idealen Buch für den Nachttisch; ein jeder lese, so lange es ihn erfreuen mag.
Ganz anders, wenn die Autorin selbst zugegen ist. Dann lässt sich auch eine Überdosis Bauerfeindscher Essenz ertragen. Mehr ist in diesem Fall wirklich mehr.
Viele kennen und fürchten Menschen, die über ihre eigenen Witze am lautesten lachen können. Andererseits gibt es Könner, die gerade so Frohsinn verbreiten. Ihnen lauscht man gern.
Katrin Bauerfein ist, was das angeht, eine Granate. Politisch weniger korrekt hieß das früher Rampensau. Aber mit ihrem Lachen von ganz tief unten - kehlig nennt sie es, doch das ist nicht tief genug - rührt sie ihre Zuhörer, mit direkter Ansprache fängt sie sie immer wieder ein. Das ist ein wenig Ritt über den Bodensee, das ist gewagt und erfordert Selbstbewusstsein und Können. Ganz klar, sie kann es.
So gurrt es von der Bühne über falsche Schönheitsideale, die Enge der Provinz, Geschenke, die keiner will, und den immer währenden Kampf der Frauen um ihr Äußeres. Da wird nicht gespart an Vergleichen, die hinken, da geht es zu, „als würde man einem Vegetarier ein Schnitzel in Wurst verpackt schenken“. Das ist manchmal derb („eine Mütze wie eine gestrickte DDR“) und manchmal grenzwertig („erstrebenswert wie ein Ferienhaus in Syrien“), aber es ist Katrin Bauerfeind pur („auch ich habe so meine Rainer-Brüderle-Momente“), also ehrlich. So ist sie eben, mag sich das vorwiegend weibliche Publikum denken, vielleicht auch ein wenig seufzen: Die Probleme hätte ich gern.
So kommt es, wie es vorherbestimmt ist. Die Stimmung ist prächtig. Und doch stiehlt ein nachdenklicher Moment all dem Frohsinn die Schau. Der Text über ihre demenzkranke Oma rührt die Herzen im Saal. Der Applaus danach ist nicht lauter, doch irgendwie wärmer.
So kommt es, dass Katrin Bauerfeind am Scheitern scheitert. Ihr Buch ist ein Erfolg, das Publikum zufrieden und die Schlange am Büchertisch lang. Ein schöner Abend. Was gebe es da nicht zu verstehen.