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Erfurter Herbstlese
Es lebe die Erfurter Herbstlese!
Mai 26 2021

Verena Keßler im Gespräch mit Monika Rettig über ihren Debütroman

Gespenstische Mittagspause

Der Debütantensalon 2020 wurde leider abgesagt, dafür ist Verena Keßler jetzt bei der „Literarischen Mittagspause“ zu erleben (Foto: Michael Bader).
Der Debütantensalon 2020 wurde leider abgesagt, dafür ist Verena Keßler jetzt bei der „Literarischen Mittagspause“ zu erleben (Foto: Michael Bader).

Nach der Spezial-Ausgabe mit Kristina Vogel kehrt die Literarische Mittagspause in gewohnte Fahrwasser zurück. Pünktlich Mittwochmittag wird auf dem YouTube-Kanal der Erfurter Herbstlese „Caroline TV“ die neueste Episode freigeschaltet. Dieses Mal begrüßt Monika Rettig Verena Keßler (Jahrgang 1988) zum Gespräch. Diese hatte sich mit ihrem bemerkenswerten Romandebüt „Die Gespenster von Demmin“ die Einladung verdient. Ein wenig Wiedergutmachung ist auch dabei. Das Buch und seine Autorin gehörten zum 2020er Jahrgang des „Debütantensalons“ des Herbstlese-Festivals, der im vergangenen Herbst aber leider pandemiebedingt abgesagt werden musste.

Jetzt also das Gespräch. Es dreht sich eingangs um den historisch verbürgten Hintergrund des Romans. Im Mai 1945 nehmen sich in Demmin Hunderte von Menschen angesichts der heranrückenden Roten Armee in der Kleinstadt in Vorpommern das Leben. „Ich habe mehr oder weniger zufällig von dem Thema gehört und war dann gleich sehr interessiert. Ein Massenselbstmord, da fragt man sich ja erst mal: Wie ist es dazu gekommen? Das war die erste Frage, der ich nachgegangen bin. Aber es blieb auch die Frage: Wie geht eigentlich diese Stadt heute damit um? Und wie ist es, heute dort jung zu sein?“

Für die Jungen in Demmin steht Verena Keßlers Figur der Larissa, genannt Larry, 15 Jahre jung und in ihrer Freizeit meistens damit beschäftigt, sich einem Abhärtungstraining zu unterziehen. 37 Minuten sind beispielweise ihr Rekord, bei gerade mal Null Grad Außentemperatur kopfüber im Apfelbaum zu hängen. So wird Larry im ersten Kapitel des Romans vorgestellt, aus dem Verena Keßler in der „Literarischen Mittagspause“ auch vorliest.

Ein junges Mädchen, das unbedingt Kriegsreporterin werden möchte und dafür hart trainiert. Larry weiß um die kollektiven Gespenster Demmins, die aus der Vergangenheit kommen und die zweite weibliche Hauptfigur des Romans, die 90jährige Frau Dohlberg, regelmäßig heimsuchen. Aber sie hat vor allem mit den Gespenstern ihrer eigenen Familie zu kämpfen. Ihr älterer Bruder ist kurz vor ihrer Geburt verunglückt und mit gerade einmal drei Jahren gestorben. Die Ehe der Eltern ist darüber zerbrochen, und Larry sehnt sich nach diesem Bruder, den sie nie kennenlernen konnte.

Verena Keßler beschreibt im Gespräch mit Monika Rettig die Schwierigkeit, gerade für die 15-jährige Larry den richtigen Ton zu treffen. Sie habe viel experimentieren müssen, um nicht zu gewollt, zu schnoddrig und zu künstlich zu wirken. „Ich habe es aber letztendlich als schwieriger empfunden, aus der Sicht einer 90-Jährigen zu schreiben als einer 15-Jährigen. Fünfzehn war ich ja selber auch schon mal.“

Kurz vor dem Lockdown gab es noch eine Präsenzlesung in Demmin, bei der ihr Buch, so Verena Keßler, sehr interessiert und positiv aufgenommen wurde. Über den Umgang mit der schwierigen Vergangenheit wird in der Stadt nach wie vor diskutiert. „Da herrscht keine Einigkeit, aber es gibt verschiedene Gruppen, die Vorschläge machen, von Denkmälern über Gedenktafeln bis zu Veranstaltungen. Und dann gibt es die Rechten, die das Ganze jedes Jahr wieder für sich instrumentalisieren und bis weit in die nächsten Jahre hinein einen sogenannten Trauermarsch zum 8. Mai angemeldet haben. (…) So ist diese Stadt sowieso gezwungen, sich immer wieder damit auseinanderzusetzen und ihren Weg zu finden“, meint Verena Keßler am Ende der Literarischen Mittagspause.

Monika Rettig ist voll des Lobes über das Erstlingswerk der jungen Autorin. „Es ist ein tolles Buch über das Erwachsenwerden und über das Weiterwirken kollektiver Traumata über die Generationen hinweg“. Sie empfiehlt es Erwachsenen aber durchaus auch Jugendlichen zur Lektüre.

Mit „Die Gespenster von Demmin“ steht die siebte Folge der „Literarischen Mittagspause“ zur Verfügung. Sie ist über den YouTube-Kanal der Herbstlese „Caroline TV" sowie bei Spotify zu erleben. Mit den Angaben neben den Covern gelangen Sie zu unserem langjährigen Partner Hugendubel. Dort können Sie bei Bedarf die vorgeschlagenen Bücher direkt bestellen. 


 



Verena Keßler im Gespräch mit Monika Rettig

„Die Gespenster von Demmin“
Hanser Berlin, gebunden, 240 Seiten
ISBN: 3446267840, 22,00 Euro

Spotify    YouTube
 


 

 

Zuletzt veröffentlicht:
Alexander Osang im Gespräch mit Monika Rettig

„Fast hell“
Aufbau Verlag, gebunden, 237 Seiten
ISBN: 3351038585 , 22,00 Euro

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Margarete von Schwarzkopf im Gespräch mit Monika Rettig

„Der Meister und der Mörder“
emons Verlag, Broschur, 336 Seiten
ISBN: 978-3-7408-0958-4, 13,00 Euro

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