Karen Duve im Collegium maius
Größtmögliches Risiko

Karen Duve ist die Welt, in der sie lebt, nicht egal, das zeigte sie bereits mit ihrem Buch „Anständig essen“. Sie, die so gar nicht zur Fraktion der Gesundheitsapostel und Körneresser gehörte, testete aus Entsetzen über die Tierquälerei in der modernen Massentierhaltung verschiedene moralisch korrekte Ernährungsweisen von biologisch-organisch bis frutarisch, der ganz strengen vegetarischen Variante . Am Ende dieses Selbstversuches standen fünf Vorsätze für ein besseres Leben.
„Halten Sie die wirklich bis heute durch?“, fragte Moderator Hanno Müller zu Beginn der Veranstaltung. Im Prinzip ja, aber nicht zu 100 Prozent, antworte Karen Duve dem Redakteur der „Thüringer Allgemeine“. Wenn man wie sie Pferde besitze, sei es nahezu unmöglich, auf Produkte aus Leder zu verzichten. Und ja, sie esse Milchprodukte, aber sie boykottiere konsequent Fleisch aus Massentierhaltung.
Karen Duve ist also keine verbiesterte Fundamentalistin, dazu ist sie viel zu reflektiert und zu selbstironisch. Sie stehe nicht da und winke mit dem „Wachturm“, meinte sie, obwohl die Botschaft ihres neuen Buches so eindeutig wie düster ist: Wenn wir so weitermachen wie bisher und das Wirtschaftswachstum als Allheilmittel vergöttern, wird es sehr ungemütlich werden. Für uns hier in den westeuropäischen Breitengraden nicht ganz so schnell, wir leben noch eine gute Weile in der „Komfortzone“, aber langfristig sieht Karen Duve unsere Zivilisation dem Untergang geweiht.
Als Schuldige macht sie diejenigen aus, die momentan am Ruder sind und in ihren Augen Eigenschaften wie Einsatz- und Risikobereitschaft, Selbstvertrauen und Durchsetzungsvermögen pervertierten, indem sie sie ohne soziale Verantwortung und nur zum eigenen Vorteil einsetzten. Karen Duve gibt dazu in ihrem Buch Beispiele aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen. So etwa die Kernphysiker, die den ersten Atombombentest im Juli 1945 durchführten und die geringe Wahrscheinlichkeit, mit diesem Test vielleicht „den letzten Vorhang über die Menschheit fallen zu lassen“, in Kauf nahmen; geringe Wahrscheinlichkeit, aber größtmögliches Risiko – eben der Weltenbrand.
Hanno Müller übernahm bei der Veranstaltung ein wenig die Rolle des Advocatus Diaboli, was für einen Moderator ja nicht das schlechteste ist: Er befragte Karen Duve zum Beispiel nach der Seriosität der Quellen, auf die sie sich bezieht. Auch gab er zu bedenken, dass das Narrativ des Weltuntergangs uns schon sehr lange begleitet; und er stellte die Gegenthese auf, dass auch die schlimmsten Psychopathen, die die Menschheit an den Abgrund führten, letztlich doch immer noch gestoppt werden konnten.
Karen Duve blieb in ihren Antworten gelassen und souverän und konterte an einer Stelle entwaffnend: Es wäre wunderbar, wenn sie mit ihrem Buch nicht recht behielte.