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Erfurter Herbstlese
Es lebe die Erfurter Herbstlese!
Nov. 06 2019

Stefan Schwarz erfreut als kleiner Gartenversager seine große Fangemeinde

Große Komische Oper II

Gern gesehener Stammgast: Stefan Schwarz im Theater Erfurt. (Foto: Viadata)
Gern gesehener Stammgast: Stefan Schwarz im Theater Erfurt. (Foto: Viadata)

Von Sigurd Schwager

Deutschland ist ein Kleingärtnerland, und als Schreberlands historische Hauptstadt darf sich Leipzig fühlen. Dort residiert das Deutsche Kleingärtnermuseum im Hause des ersten deutschen Schrebervereins, benannt nach dem Arzt Moritz Schreber, geboren 1808 in Leipzig und ebenda gestorben 1861. Außer dem Museum lädt zum Verweilen auch eine Wirtschaft ein, die Gaststätte Schrebers, wo man Original Schrebers Kneipenschnitzel und Schrebers Salatschüssel serviert.

Was das alles mit der Erfurter Herbstlese zu tun hat? Stammgast und Publikumsliebling Stefan Schwarz ist erstens genau 100 Jahre jünger als der erste Schrebergarten, lebt zweitens in Leipzig und hat drittens aus der eigenen Gartennot eine Tugend gemacht.

„Der kleine Gartenversager“ heißt sein aktuelles Buch, mit dem er nach Erfurt kommt. Und weil er, O-Ton Schwarz, einen Leistungsschub hatte, bringt er gleich ein weiteres brandneues Werk mit. Darin erzählt er unter dem Motto „Als Männer noch nicht in Betten starben“ deutsche Heldensagen auf seine unverfroren fröhliche Weise. Köhlmeier mit anderen Mitteln.

Das kann ja heiter werden, und das wird es auch. Wieder im großen Saal der Erfurt Oper. Wieder ausverkauft. Und  wieder drängt sich dem Berichterstatter jene Überschrift auf, die er bereits nach dem Schwarz-Auftritt 2016 wählt: „Große Komische Oper“.

Los geht es, bevor es losgeht. Während sich die Besucherreihen langsam zu füllen beginnen, gibt es schon die ersten Lacher, denn für den Herbstlese-Fotografen Holger John räkelt sich Stefan Schwarz in parodierend lässiger Pose auf dem Bühnentisch. Hinter selbigem wird er wenig später sitzen, die Techniker um mehr Licht bitten und das Publikum mit seinem Handy ablichten. „Das“, sagt er, „sind die Bilder, die ich mir anschaue, wenn ich verloren daheim an meinem Schreibtisch sitze und denke: Das will keiner lesen!“

Stefan Schwarz kann komisch. Wenn man jemandem, der noch nie etwas von diesem Autor gelesen hat, dessen Schreibstil erklären müsste, dann zitierte man einfach nur seine Buchtitel: „War das jetzt schon Sex?“, „Hüftkreisen mit Nancy“, „Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut“, „Die Kunst, als Mann beachtet zu werden“, „Wir sollten uns auch mal scheiden lassen“ ...

Nicht anders und über nichts anderes schreibt er jetzt als kleiner Gartenversager. Mit ihm schauen wir wie immer Menschen - uns selbst - beim Mühen um das Glück und beim Scheitern zu. Das klingt dann einleitend so: „Die Ehe und der Kleingarten haben viel gemeinsam. Erstens weiß man vorher nicht, worauf man sich einlässt, zweitens werden beide umso besser, je mehr Arbeit man in sie hineinsteckt. Ebenso wie die Ehe ist der Kleingarten nichts für Weicheier. Wer sein aufgeblasenes Phantasie-Ich schützen will, sollte nicht mal in die Nähe eines Kleingartens kommen. Denn hier tut sich dem angehenden Gärtner eine ganze Welt der drohenden Inkompetenz auf.“

Ständig von Publikumsgekicher begleitet und häufig von Applaus unterbrochen, liest der Autor Geschichten von diesen vermaledeiten Kleinkürbissen, den Zucchini, und vom Blautannen-Ärger, von den dicken Bohnen und ihren Feinden, den bösen schwarzen Bohnenläusen, von holzigem Kohlrabi, wucherndem Giersch, wühlenden Mäusen und der aufwühlenden Tomatenfrage. Ein Balkon in Erfurt liefert zudem Lokalkolorit. Am Ende folgt auf die knackig bunte Salatschüssel noch ein sagenhaft frisches Helden-Sorbet. 

„Egal, was Stefan Schwarz vorliest: Sie werden großen Spaß haben!“ Dieses Versprechen der Veranstalter löst der Gast aus Leipzig von der ersten bis zur letzten Sekunde ein. Wobei die Fans ja gerade deshalb in hellen Scharen kommen, weil sie mehr als eine Lesung erwarten und bekommen, nämlich eine launige Inszenierung. Schwarz liest, unterbricht, plaudert, spielt mit dem Publikum und der eigenen Eitelkeit, erzählt zum Beispiel, dass der Spiegel sein Buch sexistisch genannt hat  und lauscht vergnügt dem solidarischen Beifall aus dem Saal hinterher. Dass muss einem Humoristen gefallen, wenn der Spiegel klagt: Sexistischer Quatsch, locker über die Seiten verstreut. Das habe kein Garten verdient.

Verdienter rauschender Beifall. Auf Wiedersehen!

Der kleine Gartenversager

Fotos: Viadata, Holger John

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