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Erfurter Herbstlese
Es lebe die Erfurter Herbstlese!
Nov. 19 2013

Schuld bleibt immer, so oder so

Woher kam Gott? ist eine der Fragen, die Monika Maron mit feinem Witz und hintergründigem Humor in "Zwischenspiel" beantwortet. Foto: Holger John
Woher kam Gott? ist eine der Fragen, die Monika Maron mit feinem Witz und hintergründigem Humor in "Zwischenspiel" beantwortet. Foto: Holger John

„Von unten. Was sollen das denn für Bilder werden?“ Monika Maron schaut von ihrem Podest hinab zu dem Mann zu ihren Füßen. „Bitte lassen Sie das“, sagt sie und lacht. Der so Gescholtene trollt sich und macht seine Bilder nun von der Seite. Alles geschieht ohne Aufregung, leicht und locker. Schnell ist das Publikum wieder vom Lesefluss gefangen.

„Zwischenspiel“ heißt der neue Roman, den Monika Maron bei Hugendubel vorstellt. Es ist ein heiteres Buch, eines, das Vergnügen bereitet. Ein Text, der gleichsam die Worte begründet, die Monika Rettig bei der Vorstellung findet. In der Tat, Monika Maron ist eine der wichtigsten literarischen Stimmen, die Deutschland zu bieten hat. Doch waren ihre Texte bisher zunächst eben dies: wichtig, so ist jetzt eine ganz andere Autorin zu erleben.

Ruth, ihre Protagonistin, wurde vor Jahresfrist 60. Wir begegnen ihr, als es Abschied zu nehmen gilt. Von Olga, ihrer Freundin, die beinahe auch ihre Schwiegermutter geworden wäre. Jetzt ist sie tot. Ruth will ihr die letzte Ehre erweisen, doch auf dem Friedhof kommt sie nie an. Stattdessen verschlägt es sie, die plötzlich an einer Art flimmernden Sehstörung leidet, in einen Park.

„Im Park“, kündigt Monika Maron die zweite Passage an, die sie vorliest. „Es passieren merkwürdige Dinge.“

Ja, merkwürdig ist das schon, was Ruth in den nächsten Stunden wiederfährt. War sie zu Beginn des Romans noch allein in den „Erinnerungskeller“ gestiegen und hatte dort die eine oder andere „Erinnerungsleiche“ ausgegraben, gesteht ihr die Autorin jetzt Besuch zu. Dass es vorwiegend Tote sind, denen sie auf dem Weg zwischen Wiesen und Gehölzen begegnet, bereitet der Lesefreude keinen Abbruch. Im Gegenteil, auf absurden Kufen kommt die Geschichte voran, die, wen wunderte es, wenn das Schattenreich involviert ist, Kurs nimmt auf die ganz großen Themen: Liebe, Verrat und Glück, die Schuld nicht zu vergessen.

Die Schuld. Monika Maron lässt in ihrem Buch keinen Zweifel daran, dass Glück für den einen Unglück für den anderen bedeutet, bedeuten kann. Immer gibt es den Blick auf die Dinge aus verschiedener Perspektive, immer ist, so traurig das für die Opfer ist, auch der Täter eines. Und umgekehrt. Das klingt ein wenig nach frugaler Dialektik, und ist dennoch nicht unrichtig. Nur, weil etwas mit einfachen Worten erklärt werden kann, muss es längst nicht falsch sein.

Immer wieder kreisen die Gespräche um dieses Thema Schuld. Aber Monika Maron macht das wunderbar unaufgeregt. Die Vergebung, soweit  sie denn nötig ist, wird von ihr mitgeliefert; es ist, als versöhne sich die Autorin mit sich selbst, als finde sie mit diesem Roman auch ein großes Stück inneren Frieden. Denn, so Olgas wiederkehrende Erkenntnis: Schuld bleibt immer, so oder so.

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