Gregor Weber im Haus Dacheröden
Vom Schicksal eines Straßenbullens
Gerade erschüttert wieder einmal eine sogenannte Affäre die Politik Thüringer. Im Kern geht es darum, wer die Herren und Damen der Landespolizei wertschätzt, und wer das nicht tut. Eine wichtige Rolle spielen dabei Begrifflichkeiten wie Cops und Bastards, die zudem abgekürzt beim deutschsprachigen Wahlvolk für Verwirrung sorgen. Ginge es nicht einfacher, vielleicht mit dem guten alten Wort „Bulle“.
In der Politik offenbar nicht, im wahren Leben respektive der Literatur schon. In der „Thüringer Allgemeine“ hat Rezensent Hanno Müller kein Unbehagen mit dem B-Wort, setzt aber vorsichtshalber etwas davor. „Weber erzählt die Geschichte des Frankfurter Straßenbullen Ruben Rubeck. Ein harter Kerl, den man nicht mögen muss, der aber – wie der Autor versicherte – zu den Guten gehört.“ Und er fügt die Selbsteinschätzung des harten Hundes gleich mit an: „Ich bin siebenundvierzig, sehe aus wie siebenundfünfzig und fühle mich manchmal wie siebenundachtzig.“
Rubeck ist geschieden, kinderlos und Kriminalkommissar, was in seinem Alter ein lächerlich niedriger Dienstgrad ist, „aber das geht mir am Arsch vorbei". Die Beschreibung seiner abgewetzten Jacke, die er am liebsten trägt, erinnert wohl nicht zufällig an die TV-Kultfigur Schimanski. Zu Hause ist Rubeck im Bahnhofsmilieu der Main-Metropole Frankfurt. Er säuft zu viel und schläft zu wenig und gibt nicht viel auf die Meinung seiner Kollegen. Einzige tiefergehende Beziehung ist die mit der 40-jährigen Nutte Ina, bei der er gelegentlich etwas wie Nähe sucht.
Als Rubeck allerdings nach einer nächtlichen Bier-Sitzung in seiner Stammkneipe "Schlabbekicker" in eine Straßenschießerei rivalisierender Banden gerät, verändert sich alles. Von da an hat er die Balkan-Mafia und die eigenen Erinnerungen am Hals. In die zahlreichen, in die Handlung eingewobenen Rückblenden flossen wohl auch Erfahrungen ein, die Weber 2013 als Reservist im Afghanistan-Einsatz machte.
Zumindest ist das nach der eigentlichen Lesung lange Thema. Weber erzählt vom Bosnienkrieg und warum der sich so sehr von dem in Afghanistan unterscheidet. Kurt gesagt: Am Hindukusch rechnen beim Einsatz notgedrungen alle mit dem Schlimmsten. Auf dem Balkan war es nicht weniger gefährlich, doch anfänglich wähnten sich alle noch in Europa und glaubten an die auf dem Kontinent üblichen Grundlagen des Zusammenseins. Ein Irrtum, der tödlich enden konnte, der traumatisierte Kämpfer hinterließ.
Wie eben diesen Rubeck. Webers Sprache ist lakonisch-derb, manchmal „vielleicht etwas zu gossig“, bemängelt Hanno Müller in der TA. Er habe schon immer wissen wollen, wie sich so ein düsterer Noir-Krimi schreibt, verriet der Autor. Beim Publikum kam das gut an, „zumal der Vorleser immer wieder zum Schauspieler wird, der mit Stimmen und Stimmungen gekonnt spielt. Kein Wunder, dass nach der Lesung am Büchertisch auch das Hörbuch gefragt war“, resümiert er.
Hanno Müllers vollständiger Artikel ist im Internet-Angebot der Thüringer Allgemeinen zu finden.
Gregor Weber im Haus Dacheröden
Fotos: Holger John