Jan Weiler sprachwandelt als geplagter Vater „Im Reich der Pubertiere“
Wie eine frisch rasierte achtundvierzig Jahre alte Mango

Von Sigurd Schwager
Manche Dinge ändern sich zum Glück nie. Zum Beispiel: dass lange Abende mit Jan Weiler zu den fröhlichsten Erfurter Lese-Unternehmungen gehören. Zu erleben im vorvorigen Advent, als der Autor im Kaisersaal seine „Berichte aus dem Christstollen“ vortrug. Jetzt, im Frühling 2016, treffen sich Weiler und seine treue hiesige, vorwiegend weibliche Fangemeinde wieder an selbigem Ort.
Die Begegnung wird auch ein Deja-vu für den Schreiber dieser Zeilen, denn er könnte zu weiten Teilen Wort für Wort wiederholen, was er über den letzten Weilerschen Herbstlese-Auftritt 2014 notierte. Und so zusammenfasste: „Der entspannte und entspannende Abend ist ein einziges ebenso großes wie freundliches Lachen.“
Lob gewissermaßen als Stehsatz. Der Dauerbestseller-Autor hat seinem Büchlein „Das Pubertier" von 2014 nunmehr, wenig überraschend, eine Fortsetzung folgen lassen. Wieder sind allerlei eingedampfte Weiler-Zeitungskolumnen aus dem Leben eines Menschen und geplagten Familienvaters versammelt.
Lustvoll sprachwandelt der 48jährige "Im Reich der Pubertiere", wo Chaos, Pickel und Hormone herrschen, wie es im Klappentext so schön heißt. Zu Tochter Carla, 16, hat sich nun mit Sohn Nick, 13, ein jungmännliches Pubertier gesellt; schweigend, müffelnd, zockend.
Was immer Weiler pointiert liest, genüsslich erzählt und souverän spielt, hat das Publikum so oder ähnlich selbst erlebt und lacht befreit. DVDs? Weg! CDs? Weg! Rasierschaum? Weg! Geld? Weg! Konzentriert ist das Elend der Alten in der minimalistischen Konversation nach Heimkehr des Kindes: Wie war`s? Schön. Was habt Ihr gemacht? Nichts. Eben der ganz normale Elternwahnsinn, der einen völlig zur Verzweiflung bringt und den man doch irgendwie nicht missen möchte.
„Und ich rieche jetzt“, liest der der Autor als gerührter Vater, dem Tochter Carla gerade ihren Beinchenschaum geschenkt hat, „wie eine frischrasierte, achtundvierzig Jahre alte Mango."
Tröstender Beifall. Tosender Beifall.
In der Pause des langen, aber nie langweiligen Abends beginnt der clevere Selbstvermarktungsstratege Jan Weiler bereits mit dem Signieren. Auch dies ein kolumnenreifer Vorgang. Er versehe, sagt er, sofern gewünscht auch Bücher anderer Leute mit seinem Autogramm. Feinsinnig nennt er dabei als Beispiel Dörte Hansen.Die steht nämlich in der aktuellen Spiegel-Bestseller-Liste einen Platz vor ihm. Luft nach oben bleibt immer.
Am Ende dürfen natürlich die Zugaben nicht fehlen. Und Publikumslob kann sowieso keiner besser als Jan Weiler. Das sei, spricht er, wie immer hier in Erfurt soooo geil gewesen. „Das ist echt speziell. Vielen, vielen Dank!“
Aber dann gibt es doch noch etwas, das anders ist als sonst: So lang der Weilersche Auftritt, so rasch der finale Abgang von der Bühne. Programmänderung also für Programmchefin Monika Rettig: Sie überreicht die obligaten Brückentrüffel hinter dem Vorhang.
Das Publikum gönnt seinem Liebling die edle Schokoladenfreude von Herzen.
Jan Weiler im Kaisersaal
Fotos: Holger John