Lutz Seiler erhielt im Kultur: Haus Dacheröden den alle zwei Jahre vergebenen Thüringer Literaturpreis
Verharren und Aufbruch
Der Lyriker und Romancier Lutz Seiler ist in Erfurt mit dem Thüringer Literaturpreis ausgezeichnet worden. Er erhielt die mit 12.000 Euro dotierte Ehrung im traditionsreichen Kultur: Haus Dacheröden der Landeshauptstadt aus den Händen von Ministerpräsident Bodo Ramelow. Dem breiten Publikum wurde Seiler durch seinen 2014 bei Suhrkamp erschienen Roman „Kruso“ bekannt, dessen Handlung 1989 auf der Ostseeinsel Hiddensee spielt.
In seinen Texten sei eine interessante Polarität zu spüre, die nachdenklich mache, die bereichere und das Denken erfrische, sagte Torsten Unger in seiner Laudatio. „Ich meine die Polarität von Verharren und Aufbruch, von Gehen und Bleiben. Bewahrenswerte Vergangenheit wird in seinen Texten ebenso liebevoll beschrieben, wie Zukunft beschworen wird“, sagte der MDR-Kulturredakteur. Es sei die Bildsprache Lutz Seilers, seine Metaphorik, der es gelinge, „unheilvolle Geschichte auf wunderbare Weise aus der Verankerung der Zeitgeschichte zu lösen und auf die Reise in die Ewigkeit der Kunst zu schicken.“
Unger würdigte besonders Seilers Roman „Kruso“. Im Epilog sei der Autor den Schicksalen nachgegangen, die bisher von der Vergessenheit verschluckt gewesen wären; denen, die bei der Flucht in der Ostsee ertrunken seien. Habe es bisher Bücher über spektakuläre und erfolgreiche Fluchtgeschichten aus der DDR gegeben, füge Seiler diesen nun ein Kapitel grausam gescheiterter Fluchtversuche hinzu. „Verschwundene, die bisher stumm waren, bekommen nun eine Stimme, die Vergessenen erhalten ein Denkmal. Er setzt diesen Verschollenen endlich ein längst überfälliges Denkmal“, sagte der Laudator. Der Roman sei künstlerisch meisterhaft, sein Epilog moralisch meisterhaft und mehr als redlich, so Unger.
Für ihn gehöre Seiler in die Ruhmeshalle jener Autoren, „die ihrer Epoche eine Stimme zu geben vermochten, die einen längeren Atem hat als die kurzatmige Zeitgeschichte.“ Die Gedichte und auch die Prosa des gebürtigen Thüringers sein auch Antworten auf den Aufstand einer Vergangenheit, die nicht weichen wolle. „Mutig tritt er mit Versen ihrer Verklärung entgegen“, würdigte Unger den Preisträger.
Der seit 2005 vergebene Preis wird zweijährlich vergeben, seit dem Jahr 2011 gemeinsam vom Freistaat Thüringen und der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen. Er soll Autoren ehren, „die selbst oder durch ihr Schaffen in besonderem Maße mit dem Kulturland Thüringen verbunden sind und an der Gestaltung des gegenwärtigen geistigen und kulturellen Lebens in und über die Grenzen Thüringens hinaus wesentlichen Anteil haben“, hieß es aus der Staatskanzlei. Zu den bisherigen Preisträgern zählen unter anderem Sigrid Damm (2005), Ingo Schulze (2007) und Wulf Kirsten (2015).
Lutz Seiler wurde 1963 in Gera geboren und lebt heute in Wilhelmshorst bei Berlin und in Stockholm. 1990 schloss er ein Studium der Germanistik ab, seit 1997 leitet er das Literaturprogramm im Peter-Huchel-Haus. Für seine Werke erhielt er mehrere Preise, darunter den Ingeborg-Bachmann-Preis, den Bremer Literaturpreis, den Uwe-Johnson-Preis und 2014 den Deutschen Buchpreis.
Thüringer Literaturpreis für Lutz Seiler
Fotos: Thüringer Staatskanzlei