Horst Evers im Gespräch mit der Thüringer Allgemeinen
Irrsinn, Senf und Brückentrüffel in Erfurt: Was Horst Evers an der Landeshauptstadt mag
Der beliebte Autor kommt zur Herbstlese. Ob Erfurt nicht doch noch ein Kapitel in einem der kommenden Bücher bekommt, hat er im Gespräch verraten.
Seine tapsigen Erlebnisse und pointierten Erzählungen haben Horst Evers und seine Geschichtensammlungen in der Lesewelt bekannt gemacht. Nun ist der Autor wieder zu Gast bei der Erfurter Herbstlese und bringt seine neuesten Stücke mit. Wir haben mit ihm über Ablenkung im Alltag gesprochen und ergründet, ob in Erfurt nicht auch mal etwas Lustiges passiert, was ein Kapitel in einem Evers-Buch wert ist.
Herr Evers, Sie sind mit ihren Büchern schon oft in Erfurt gewesen. Erinnern Sie sich noch an ihren ersten Besuch in der Stadt?
Oh, das müsste Mitte der 90er Jahre gewesen sein. Ich habe schon lange eine Bahncard 100 und hatte mir von Freunden eine Liste mit Städten erstellen lassen, die man unbedingt sehen muss. Da bin ich auch nach Erfurt gefahren. Manche Dinge, wie auch die großartigen Brückentrüffel habe ich dann aber erst mit der Herbstlese kennengelernt. Von denen wusste ich vorher nichts.
Haben Sie heute überhaupt noch Zeit, sich etwas in der Stadt anzuschauen, wenn Sie unterwegs sind?
Ich hab ein jedem Fall Zeit, mir Trüffel und Senf zu kaufen.
Senf? Wirklich?
Ja, es gibt diesen Senfladen auf der Krämerbrücke und dem mag ich auch sehr gerne. Und ich freue mich, dass er immer wieder noch da ist. Das ist für mich eine kleine Tradition. Ich mag Erfurt sehr gerne und schaue mich um. Es ist eine Stadt mit einer großen Aufenthaltsqualität. Zwei bis zweieinhalb Stunden will ich mir da für einen Spaziergang schon nehmen, wenn ich hier bin.
Was erwartet denn die Gäste?
(lacht) Im Prinzip das, was sie immer bei mir erwarten. Nur dass es alles ganz frische Geschichten sind.
Der Titel Ihres neuen Buches ist „Zu faul zum Nichtstun“, was verbirgt sich dahinter?
Den Titel kann man auf zwei Arten verstehen: Einmal richtig faul sein. Solche Geschichten gibt es in dem Buch. Aber dann gibt es zum anderen auch den zweiten Gedanken, der mir kam, als ich auf eine Studie gestoßen bin. Die besagt, dass es 47 Sekunden braucht, bis ein Mensch, der gerade herumsitzt, zum Handy greift, um dort etwas nachzugucken. Und mir ist es eben passiert, dass ich diese Studie gelesen habe, als ich draußen in einem Café saß und dann selbst überlegt habe, ,Sag mal, warum hast du das Handy überhaupt in die Hand genommen?‘ Und der Grund war, dass ich bei dem schönen Wetter wissen wollte ,Wie viel Grad hat es wohl jetzt genau?‘ Und natürlich hat man nicht nur eine Wetterapp, sondern fünf, damit man auch ganz sicher sein kann.
Aber auch das Thema KI kommt vor….
Ja genau. In vier oder fünf Geschichten. Aber es unterm Strich alles auf Pointe geschrieben. Ich habe den naiven, aber ehrlichen Anspruch, dass es allen Leuten nach der Lesung besser geht als vorher. Weil es darum geht, über Dinge zu lachen.
Also ist die moderne Technik schuld daran, dass wir das Nichtstun verlernt haben?
Nein, ich glaube nicht. Es ist eher diese innere Unruhe und dieser Gedanke, dass es eine Parallelwelt gibt, in der man nicht fehlen darf. Und die etwas zurückgegangene Fähigkeit, einfach im Moment zu sein. Ich lasse mich auch leicht ablenken und beobachten. Aber wenn ich mit der Hand schreibe, ist das eine der wenigen Tätigkeiten, wo ich wirklich nichts anderes machen kann. Da muss ich mich konzentrieren. Das ist dann für mich eine kleine Meditationsübung. Es fällt uns schwer, ganz bei sich zu sein. Man macht die Fenster zur Welt immer wieder auf und behängt sich mit Dingen, die eigentlich gerade gar nicht wichtig sind.
Hat das auch mit Multitasking zu tun?
Ja. Aber ich sage immer, das einzige Multitasking, was ich kann, ist auf der Toilette zu lesen. Generell geht das natürlich schon, aber im Grunde mache ich dann immer zwei Dinge gleichzeitig nicht besonders gut. Die Geräte begünstigen das. Aber das Problem an sich steckt in uns.
Sie schreiben, man muss dem Irrsinn immer ein kleines Stück voraus sein. Wie oft ist Ihnen das schon gelungen?
Häufig, tatsächlich. Es gibt dann ja immer neue Stufen des Irrsinns. Das sind auch Schocksituationen. Wie als 2016 Donald Trump zum Präsidenten gewählt wurde. Wo man sich gefragt hat, wie zivilisierte Menschen das machen konnten. Da ist es gar nicht schlecht, sich innerlich auf soetwas vorzubereiten. Und das bin ich auch, weil ich heute viel mehr Irrsinn als noch vor acht Jahren für möglich halte und insofern auch besser damit umgehen kann.
Viele Ihrer Geschichten spielen in Cafés und Restaurants. Wie stehen die Chancen, dass es auch mal eine aus Erfurt gibt?
Es gibt tatsächlich zwei Geschichten, die in Erfurt spielen, die aber leider nie in die Bücher gekommen sind. Bücher mache ich eher so alle zwei bis drei Jahre, für Radio eins schreibe ich aber jede Woche eine Geschichte. Und da gab es tatsächlich etwas über den Trüffel und den Senf!
Was ist da passiert?
Da ging es darum, dass ich hinterher im Zug liegenblieb und irgendwie nichts dabei hatte außer Trüffel und Senf und wie ich überlegte wie lange ich wohl mit Trüffel und Senf überleben würde. Und was ist das dann für ein Leben? Eigentlich schön, weil es ja beides tolle Sachen sind, aber irgendwie doch auch komisch. Das ist nun aber auch schon vier oder fünf Jahre her.
Dann könnten wir uns doch jetzt einigen, dass Sie diesmal nochmal ganz genau schauen, ob Ihnen hier in Erfurt nicht etwas Besonderes passiert?
(lacht) Ja, vielleicht guck ich mal, dass es auch nächstes mal eine Geschichte aus Erfurt ins Buch schafft. Vielleicht erlebe ich sie ja dieses Mal. Ich werde ganz aufmerksam gucken, damit wir dann auch wirklich eine haben.
Text: Kathleen Kröger
Mit freundlicher Unterstützung der Thüringer Allgemeine.