Monika Rettig geht in den Ruhestand
Die Erfurter Herbstlese steht vor großen Herausforderungen. Ende Juli 2025 verlässt Monika Rettig nach sehr erfolgreichen Jahren als Programmchefin Thüringens wichtigstes Literaturfestival. Zudem bereitet der Trägerverein die Umstellung auf ein ganzjähriges literarisches Angebot für Erfurt und die Gäste der Stadt vor. Die neue Ausrichtung ist eng mit dem Engagement der Herbstlese im und für das historische Haus Dacheröden verbunden, das der gleichnamige Verein im Auftrag der Landeshauptstadt als Kultur- und Bürgerhaus entwickelt.
Monika Rettig hatte die Programmleitung der Erfurter Herbstlese 2012 übernommen. Nach dem plötzlichen Tod von Festivalmitbegründer Michael John wechselte sie vom Aufbau Verlag in ihre neue Position. Aus familiären Gründen möchte sie sich nun mit dem Ruhestand wieder mehr in Richtung ihrer hessischen Heimat orientieren.
„Jeder ist ersetzbar – diese Worte greifen bei dieser Personalie offensichtlich nicht“, meint der Vorsitzende des Herbstlese-Vereins Dirk Löhr. Die Lücke, die die 62-Jährige unweigerlich reißt, ist nur sehr schwer wieder zu füllen. Dafür spricht aus seiner Sicht nicht nur der sehr gute Ruf von Monika Rettig bei den Kolleginnen und Kollegen in der Buchbranche. Autorinnen und Autoren schwärmen von der freundlichen Betreuung durch die Festivalchefin, die eine warmherzige wie kenntnisreiche Begrüßung bei den Lesungen einschließt. Eine besondere Kunst, die auch das Publikum mit den Jahren sehr zu schätzen lernte. „Auch hier wird es schwer, für adäquate Nachfolge zu sorgen“, so der Vereinschef.
In ihren Jahren in Erfurt hat Monika Rettig die Erfurter Herbstlese nicht nur durch ihre Persönlichkeit geprägt, auf ihr Engagement und ihren Ideenreichtum gehen auch Formate zurück, die sich in der Vergangenheit zu Klassikern und Traditionen entwickelt haben. So führte sie den „Debütantensalon“ und die Reihe „Gemischtes Doppel" ein, bei der sich Paare wie Andrea Sawatzki und Christian Berkel, Rafik Schami und Root Leeb, Kollegen wie Christoph Maria Herbst und Moritz Netenjakob oder Freundinnen wie Susanne Fröhlich und Constanze Kleis gemeinsam in einem moderierten Gespräch dem Publikum stellen. Bei „Gysi trifft in Erfurt...“ waren unter anderem Matthias Platzeck, Margot Käßman oder Hans-Eckardt Wenzel zu Gast.
Mit „Neu aufgeblättert“ ersann die Herbstlese-Programmchefin zudem ein Forum für vergessene Autorinnen und Autoren, aufsehenerregende Neuübersetzungen oder bislang nicht veröffentlichte Textfunde aus Archiven. „Vor dem Hintergrund der Fülle dieser Angebote mag es ein kleiner Trost sein, dass uns Monika Rettig mit ausgesuchten Projekten auch im Ruhestand erhalten bleiben möchte“, blickt Vereinschef Dirk Löhr in die Zukunft.
Wann die Festivalspitze neu besetzt werden kann, ist nach seinen Worten im Moment noch offen. Der Vertrag mit der Stadt über die Betreibung des Hauses Dacheröden läuft in wenigen Jahren aus. Zunächst müssen erst die Bedingungen für das weitere Wirken des Vereins im historischen Ensemble festgeschrieben werden – auch um dem oder der Neuen an der Festivalspitze eine verlässliche Zukunft zu bieten. Die Gespräche dazu sind auf einem guten Weg, so der Vereinsvorsitzende.
Die Erfurter Herbstlese ging 1997 in ihre erste Saison. Zwischenzeitich erreichte das Festival zusammen mit der Frühlingslese bei jährlich etwa 100 Lesungen, Konzerten und öffentlichen Diskussionsrunden gut 20.000 Besucherinnen und Besucher. Seit 2017 organisieren die Mitarbeitenden im Kultur: Haus Dacheröden, unterstützt von einem ehrenamtlichen Helferkreis, ein breites Spektrum an Veranstaltungen, das von Konzerten und Filmvorführungen über Ausstellungen bis hin zu Kindernachmittagen und Tanzangeboten reicht. In der Corona-Zeit wurde zudem mit der Sommerbühne ein Open-Air-Angebot im Innenhof des Hauses mit professioneller Ausstattung etabliert, das sich als nachhaltigen Projekt erweist und zu einer festen Größe in Erfurts Kulturszene entwickelt.