In sieben Kapiteln und mit vielen Gedichten durch Erich Kästners Leben

Stefan Kaufmann, Präsident des Thüringer Oberlandesgerichtes in Jena, kann etwas, was heute eher Seltenheitswert hat: auswendig Gedichte rezitieren, und zwar ganz schön gut und ganz schön viele.
Das hat er gestern abend bei der "Herbstlese" unter Beweis gestellt. In insgesamt sieben Kapiteln nahm er sein Publikum im völlig ausverkauften Café Nerly mit auf die Reise durch Kästners Leben und durch seine Lyrik: "Herzneurose", "Frauen", "Provokationen" oder "Aktuelles von Dr. K.", so lauteten einige der Kapitelüberschriften.
Erich Kästner, Mutters Liebling und Klassenprimus, hat früh alles verschlungen, was ihm an Texten über den Weg lief. Die meisten seiner Gedichte entstanden in den Jahren 1926 bis 1933. Mit dem Beginn der Naziherrschaft gehörte er zu den verfemten Dichtern, seine Bücher wurden am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz verbrannt. Erich Kästner war der einzige Autor, der diese barbarische Aktion persönlich mit ansah: "Ich habe Gefährlicheres erlebt und Tödlicheres, Gemeineres nicht", so Kästner. Aus Deutschland emigriert ist er dennoch nicht, er wollte dem Regime die Stirn bieten, Augenzeuge bleiben und hatte auch einfach immer, wie er sagte, "mehr Heimweh als Fernweh". Und er blieb seiner Mutter zeitlebens in geradezu symbiotischer Beziehung verbunden, dies war auch ein Grund für sein Bleiben.
Stefan Kaufmann bekam am Ende - nach einer Zugabe - viel Applaus für seinen großartigen Vortrag, der bestens auf die musikalischen Intermezzi mit Matthias Ehspanner am Flügel abgestimmt war.
Die Eintrittsgelder des Abends gehen in Gänze an den Förderverein für den Erhalt der Historischen Bibliothek des Thüringer Oberlandesgerichtes, den Stefan Kaufmann gegründet hat - ein schöner Nebeneffekt.