Simone Lappert und die Solo-Lesung des Debütanten-Salons in der Mehlhose
Kritische Leser und wohlmeinende Kritiker

Die Frühlingslese 2015 biegt auf die Zielgerade ein. Aber ehe die kleine Schwester der Herbstlese am 19. Mai mit Alexander Osang ihr Ende findet, gilt es ein Versprechen einzulösen: Dem Sieger (bisher immer eine Siegerin) des Debütanten-Salons im Herbst wird ein Solo-Auftritt im Frühjahr zuerkannt. Gestern war es nun soweit. In der Mehlhose las Laureatin Simone Lappert aus ihrem Gewinner-Buch.
Wobei gewinnen gerade nicht im Mittelpunkt von „Wurfschatten“ steht. Leider zählt Ada, Lapperts Heldin, zu denen, die eher auf der Verliererseite stehen. Ada ist Künstlerin, Schauspielerin und lebt, wie es dem Gros der Künstler eben beschieden ist, von der Hand in den Mund. Sicherheiten? Fehlanzeige. Es reicht noch nicht einmal für die Miete.
Ada hat also Sorgen genug. Doch das reicht der Autorin noch nicht. Sie bürdet ihr dazu eine umfassende Angst auf, eine Furcht von „A wie Attentat bis Z wie Zyste.“ Eine Angst, die Adas Lebens bestimmt, und die zu sie merkwürdigen Ansätzen einer Art Autotherapie treibt.
Bei der Kritik kommt dieses Konstrukt vorwiegend gut an. Vielleicht, weil die Rezensenten der diversen Feuilletons, so sie dem Ressort nicht vorstehen oder als festangestellte Redakteure auf die Gehaltsüberweisung vertrauen können, selbst nicht gerade auf Rosen gebettet sind, sie sich in diese Ada ganz gut hineinversetzen können. Oder weil es in Simone Lapperts Buch um ein Urthema jeglicher Schriftstellerei, die auf einigen Anspruch besteht, geht: Das Verhältnis des Künstlers zum Rest der Gesellschaft; der Wunsch, anders zu sein, im Streit mit der Hoffnung, doch ein Teil von ihr und anerkannt zu sein.
Die Leser sind da wohl etwas kritischer. In einer Zeit, wo Tempo die Handlung selbst oft alt aussehen lässt, hat es die altmodische Beschreibung schwer. Es gibt zu wenige Leser, die sich am kunstvoll gebrauchten Wort erfreuen. Was will mir der Autor damit sagen? Und warum muss es so umständlich sein?
Das hat eine gewisse Komik. Denn während die Kritik das Lappertsche Debüt gern auch einmal mit der Prosa Judith Hermanns vergleicht, deren Roman aber auf wenig professionelle Gegenliebe stieß, ist es bei der Leserschaft genau andersherum; die mochten „Aller Liebe Anfang“ bei der Lesung zur Herbstlese 2015 in der Buchhandlung Hugendubel durchaus. Sei es darum.
Mit „Wurfschatten“ kann Simone Lappert also eher nicht auf ein großes Publikum schielen. Muss sie ja auch nicht. Weniger ist mehr – um ein früheres Herbstlese-Motto zu zitieren. So ist denn auch die Mehlhose nicht brechend voll, doch gut gefüllt. Die, die die Lesung erleben, kommen auf ihre Kosten. Geschlossene Vorhänge, dazu das gedämpfte Licht der Lüster, die Leselampe vorn auf dem Tisch – all das gibt dem Abend eine besondere Atmosphäre, eine Intimität, die zum Buch, seinem Personal und nicht zuletzt zur Autorin prima passen.
Nicht zu vergessen der Schriftstellerin Stimme. Herbstlese-Programmchefin Monia Rettig lobt zum Abschluss ausgiebig die Güte des Vortrags, der dem Text einen besonderen Zauber, ein Scheinen verleiht. So gesehen ist dieser Abend die beste Werbung für das etwas kleinere Format. Und für den Debütanten-Salon natürlich.
Simone Lappert in der Mehlhose
Fotos: Holger John