Mit Norman Bates auf dem Highway to hell
Matthias Brandt und Jens Thomas gehen gemeinsam zum Flügel, Brandt schlägt einen Ton an, wiederholt ihn stakkatohaft, dann eröffnet Thomas mit seiner Gesangsversion von „Hells Bells“ von AC/DC einen unvergesslichen Abend. „I’m gonna take you to hell“ kann als Leitmotiv gelten für die Bühnenversion des Filmklassikers „Psycho“ von Alfred Hitchcock, mit der Matthias Brandt und Jens Thomas das „Herbstlese“-Publikum hineinziehen in die irre Welt des Norman Bates.
Kann man, auf den Text der Romanvorlage zu „Psycho“ von Robert Bloch und zwei Ausnahmekünstler am Lesepult und am Flügel vertrauend, eine annähernd hohe Intensität erreichen wie der berühmte Film? Matthias Brandt und Jens Thomas können das, sie erschaffen ein eigenes Kunstwerk und lassen uns an diesem Abend Anthony Perkins, den Darsteller des Norman in Hitchcocks Film, vergessen.
Matthias Brandts hoher Schrei des Entsetzens zu Beginn seiner Lesung lässt das Publikum zusammenfahren. Was dann folgt, ist eine virtuose Vortragsleistung: Nur mit seiner Stimme und wenigen, dafür umso genauer gesetzten Gesten und mimischen Ausdrücken entfaltet Brandt den Kosmos der mutterfixierten, gespaltenen Persönlichkeit des Norman Bates. Die keifende, demütigende, nervtötende Stimme der Mutter, ihr böses Kichern, beherrscht er genauso wie die anderen, mal schreienden, mal flüsternden, mal schüchternen, mal fordernden Teile in Norman Bates. „We are connected“ singen Brandt und Thomas gemeinsam, und für die multiple Persönlichkeit Norman Bates heißt das: unauflöslich und ins Verderben führend. Den heillosen Kampf in Norman Bates, seine Wut und Verzweiflung lässt Jens Thomas musikalisch nacherleben: Er spielt nicht nur auf den Tasten, sondern zupft und schlägt die Saiten, kriecht förmlich in sein Instrument hinein. Sein Spiel und sein bis ins Falsett reichender Gesang sind die kongeniale Ergänzung zu Matthias Brandts Vortrag. Musik und Text, Musiker und Vorleser sind in diesem Programm absolut ebenbürtig.
Das Publikum der „Herbstlese“ feiert den besten Schauspieler des Landes – Matthias Brandt wurde gerade mit dem Deutschen Fernsehpreis als Deutschlands bester Schauspieler geehrt – und Jens Thomas, den „Jimi Hendrix des Flügels“ (Süddeutsche Zeitung), mit stehenden Ovationen und entlockt den beiden zwei Zugaben. Matthias Brandt und Jens Thomas haben bei der „Erfurter Herbstlese“ großes Kopfkino geboten und die Romanvorlage zu „Psycho“ von Robert Bloch völlig zu Recht ins Rampenlicht geholt.