Spätlese in der Schotte
Nachdenkliches und Angriffe auf die Lachmuskeln

Von Maik Ehrlich
Ja, die Spätlese Late Night wurde ihrem Namen gerecht. Kurz vor Mitternacht versammelten sich noch einmal die sieben Jung-Autoren auf der Bühne im Kinder- und Jugendtheater „Die Schotte“ und genossen den wohl verdienten Applaus von den Zuschauern im voll besetzten Haus.
Fast drei Stunden haben die kreativen Literaten ihre Gedichte, Kurzgeschichten oder Parabeln vorgetragen. Zu keinem Zeitpunkt wurde es langweilig, auch wenn der eine oder andere Autor die vorgeschriebene zehnminütige Redezeit überzog. René Sachse war diesbezüglich ein Wiederholungstäter. Im vergangenen Jahr beanspruchte er mit einer Mischung aus Lesung und Performance stolze 20 Minuten, weshalb diesmal Moderator Ryo Takeda dem Autor eine Sanduhr schenkte. Er überreichte sie ihm aber erst nach der Veranstaltung, schließlich sollte sie noch vorher als Zeitmesser dienen.
René Sachse fasste sich in diesem Jahr kürzer. Für seine unterhaltsamen und tiefgründigen Wortspiele zum Thema Buchvorstellung, bei dem es eher um Vorstellung im Sinne von Imagination anstelle von Präsentation ging, brauchte er lediglich 14 Minuten. Das Publikum amüsierte sich dennoch köstlich.
Den größten Angriff auf die Lachmuskeln unternahm indes Fabian Hagedorn. Der Erfurter, der mittlerweile in Jena studiert, spielte seinen Heimvorteil souverän aus. „Endlich bin ich mal als ich selbst auf der Bühne“, schob Fabian Hagedorn vornweg, weil er sonst in der Schotte Könige, Verliebte oder Tote spielt – aktuell übrigens den Kreon in Antigone. Fabian Hagedorn war auch der einzige, der frei sprach: eine moralische Legitimation für Langschläfer, einen Blick ins Schlafgemach der Kanzlerin, einen modernen Erlkönig und einen Kanzleramtschef-Pofalla-Verhinderungs-Song.
Bei vielen Autoren überwogen die witzigen Töne: Ronny Ritze entführte die Zuhörer in die Untiefen zwischenmenschlichen Bemühens unter Zuhilfenahme einer Liebesschaukel. Andreas Budzier zerrte das Auditorium gar in Erfurts schlechteste Diskothek unter Vortäuschen einer nervenden Freundin.
Darius Lucas Helbing, Alexandra Koball und Louisa Klopfleisch präsentierten sich als Meister der nachdenklichen Töne, wobei die zuletzt genannte als 16-jähriges Nesthäkchen bemerkenswerte Reife unter Beweis stellte. Kostprobe gefällig? „Liebst du mich noch? Hörst du auf, den Sommer zu lieben, wenn es Winter ist, und du die Wärme nicht mehr spürst?“, dichtete Louisa Klopfleisch aus Schönau vor dem Walde.
Junge Medien Thüringen e.V. veranstaltete in Kooperation mit der Erfurter Herbstlese die Erfurter Spätlese Late Night, die sich als Forum für junge Literatur, neue Gedanken und Gefühle versteht. Den Abend in der Schotte rundete der Musiker Jan Roth an Klavier und Schlagzeug ab.
Maik Ehrlich ist Mitarbeiter der Lokalredaktion der TLZ in Erfurt.
Spätlese Late Night in der Schotte
Fotos: Maik Ehrlich