Nicht nur in Erfurt stößt das Buch des anarchistischen Ethnologen auf großes Interesse
David Graeber über Bullshit-Jobs
Von Hanno Müller
Eine Firma beschäftigt einen Telefondienst, bekommt aber nie Kundenanrufe. Ein Subunternehmer der Bundeswehr fährt Hunderte Kilometer, um Soldaten Umzugskartons in die Kaserne zu bringen. In Softwareunternehmen eliminieren Programmierer den ganzen Tag Fehler aus Freeware-Codes, statt die Programme selber richtig zu schreiben.
Bullshit-Jobs nennt der linke Sozialwissenschaftler und Aktivist David Graeber solche Arbeiten, die so hirnrissig sind, dass nicht einmal die, die sie machen, davon überzeugt sind – aber dennoch so tun müssen als ob.
Ausgangspunkt seiner Recherchen sei ein nicht ganz ernst gemeinter Aufsatz in einem anarchistischen Magazin gewesen. Danach schilderten Hunderte im eigens eingerichteten E-Mail-Postfach ihre Erfahrungen mit sinnfreien Posten. 40 Prozent, so Graeber, beschrieben ihre Jobs als absurd. So entstand das Buch „Bullshit Jobs“ (Klett-Cotta, 26 Euro).
Fünf Typen hat Graeber ausgemacht. Die Lakaien existieren nur, um andere wichtig aussehen zu lassen – etwa in dem die Zahl der Unterstellten aufgebläht wird. Die Schläger – Lobbyisten, PR-Leute, Telefonwerber – nerven mit aggressiven Überfällen, um den Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen. Die Flickschusterer bügeln Fehler aus, die unfähige Kollegen oder Chefs verzapfen. Die Kästchenausfüller stellen ihre Firmen in Formularen oder Newslettern größer und besser dar, als diese sind. Die Aufgabenverteiler weisen Arbeiten anderen zu, die diese auch locker ohne sie hinbekämen.
Managen, was nicht gemanagt werden muss, das mache einen Großteil der Nonsens-Jobs aus. Wird in der Firma rationalisiert, fliegen die raus, die produktiv arbeiten, die Bullshit-Manager halten sich schadlos. Viele Tätigkeiten könnten heute durch Maschinen oder KI ersetzt werden, trotzdem werde die Arbeit nicht weniger. Für den Linken Graeber ist das auch ein Merkmal des Kapitalismus: mehr Freizeit ist nicht gewollt.
Dieser Artikel erschien zunächst am 25. Septmber 2018 im Feuilleton der Thüringer Allgemeine, aber auch Zeit-Online, die FAZ oder der Deutschlandfunk berichteten ausführlich.