Ein vergnügliches Herbstlese-Triple mit Stefan Schwarz
Immer so? So wie immer!
Von Sigurd Schwager
Dieser Mann ist Liebling Herbstlese. Wenn es dafür überhaupt noch eines Beweises bedurft hätte, dann liefert ihn Stefan Schwarz jetzt im November 2023 mit seinem Herbstlese-Triple. Anfang des Monats liest er in Apoldas Stadthalle und zwei Wochen später im Erfurter Atrium. Weil dort aber im Vorverkauf schnell deutlich wird, dass es weit mehr Fans als Karten gibt, lässt sich der Autor nicht lange bitte. Er legt in der kurzzeitigen Stadt seiner Jugend für das ihm sehr gewogene Publikum eine Zusatzschicht als Vorleser ein. Selbige absolviert er allerdings nicht nach dem Atrium-Abend, sondern 24 Stunden davor am Anger im Hause Dacheröden.
Selbstverständlich ist auch diese, für Schwarz-Verhältnisse eher intime Veranstaltung restlos ausverkauft. Der 58jährige bringt, wie man es von ihm stets erwarten darf, ein neues Buch mit. Es heißt „Ist der immer so?“ Hierbei handelt es sich auch insofern um einen sinnvollen Titel, weil man nach der Lektüre des schmalen Bandes und dem Erleben des Autors als Vortragskünstler seiner selbst beruhigt feststellen kann: Ja, der Mann ist so wie immer!
Gut so! Zwar hat sich die Perspektive gemäß Untertitel „Geschichten aus dem leeren Nest“ etwas verschoben, aber auch wenn nun die Kinder aus dem Haus sind, bleibt hinreichend Erzählstoff für: Schöner scheitern mit Stefan Schwarz im Chaos von Alltag und Allnacht!
Der Autor eröffnet nicht – wie bei Dichterlesungen üblich – mit den ersten Worten des Buches. Er blättert sich gleich vor auf Seite 85, was bei einer Kolumnen-Sammlung ohne Erklärungsbedarf geht, beginnt mit der mehr feuchten als fröhlichen Familien-Szenerie „Wieder trinken lernen“ und liest: „Ich sitze daheim, futtere gelangweilt Nüsse...und gucke den ‚Bachelor‘...“ Das Erscheinen der Gattin, trunken vom Mädelsabend kommend, wirbelt den Abend durcheinander.
Allerdings, es fehlt dem Erzähler das Randalieren, und er erinnert sich: „Wenn mein Vater besoffen ins Bett ging, sah die Wohnung danach aus, als hätte Loriot versucht, ein Bild aufzuhängen.“ Der Berichterstatter hört vergnügt zu und überlegt, warum Schwarz als Einstieg genau diese Geschichte ausgewählt haben könnte, diesen Vergleich mit einem makellosen Sketch für die Ewigkeit. Lachen als Wiedererkennen. Eine kleine Verbeugung vor dem Meister? Schließlich ist Loriots 100. Geburtstag gerade vier Tage her. Die Antwort bleibt offen.
Mehr als ein Dutzend Kolumnen liest und spielt Stefan Schwarz vor. Lach- und Sachgeschichten vom alltäglichen Wahnsinn. Wir lernen den Fahrschullehrer der Tochter, den Schornsteinfeger und den Hausmeister kennen, sitzen im Zugabteil, tragen den Beutel mit Hundekot durch die Gegend, lesen in Kackabüchern und leiden mit dem handwerkelnden Vater. Und die ganz großen Dinge des Lebens werden verhandelt: die Entstehung des Autors in einem Heuhaufen, das Kopulierrecht für den Großvater, die allgemeine Orgasmus-Gerechtigkeit.
Kichern, beifälliges Kommentieren, leises Glucksen und lautes Gelächter – keine Sekunde herrscht Ruhe im Publikum. Die Chemie stimmt. Immer zeigt jemand spontan seinen Frohsinn, aber nie der ganze Saal synchron. Schwarz beherrscht das Florett, weiß aber auch einen groben Keil auf einen groben Klotz zu setzen.
Zwei Zugaben verlängern das Vergnügen. Dann ist nach zwei Stunden Schluss. Beifall ohne Ende für einen schönen Abend.
Herbstlese-Programmchefin Monika Rettig verabschiedet das Publikum: „Nehmen Sie Ihr Lachen mit in den neuen Tag!“