Vorgestellt von Kathleen Kröger, Freie Mitarbeiterin im Kultur: Haus Dacheröden
Magdalena Jagelke „Ein gutes Verbrechen“
Mütter und Töchter haben verschiedenen Redensarten nach oft ein schwieriges Verhältnis. Wenn die Charakterzüge von Elternteil und Kind sehr weit auseinanderklaffen oder komplizierte Lebensumstände gegen eine gesunde Beziehung sprechen - wieso diese dann nicht brechen?
Magdalena Jagelke stellt der geneigten Leserschaft in ihrem Debütroman Tara vor. Die junge Frau muss sich mit der Frage auseinandersetzen, ob das Verschwinden ihrer Mutter nicht nur ein schmerzlicher Verlust, sondern gleichzeitig auch ein „gutes Verbrechen“ war, das sie vor vielen anderen seelischen Missständen bewahrt hat.
Tara ist ein Teenager, als ihre Mutter beschließt, die Tochter wäre ohne sie weit besser dran. Sie verlässt ihr Kind und beschränkt den Kontakt auf die monatlichen Überweisungen des Unterhalts. Die Kosten dafür hat sie bis zum 18. Geburtstag Taras genau und sauber aufgestellt und offengelegt.
In der Schule fragt sich das Mädchen, ob man ihr ansieht, dass sie von ihrer Mutter verlassen wurde. Sie beobachtet die Familien ihrer Freundinnen distanziert; neidisch und misstrauisch. Sie kämpft allein in „ihrer“ Wohnung in einem großen Neubaublock in Polen. Sie überlebt. Vom Verlassensein gezeichnet geht sie nach Paris, sucht und findet Liebe, die ihr viel gibt, sie aber nicht vor dem Hader mit sich und den ihr aufgezwungenen Lebensumständen rettet.
Jagelke schafft es, auf den 118 Buchseiten in kurzen Kapiteln ein klares und verdichtetes Bild ihrer Protagonistin zu skizzieren; ohne dabei die Sentimentalitäten zu bedienen, die im Rahmen dieser Thematik stereotyp und zu erwarten sind. Im ganzen Buch bleibt sie sachlich und schafft es, starke, oft sehr eigenwillige Bilder zu zeichnen, statt große Psychoanalyse zu betreiben.
Am Ende bleibt es dem Leser selbst überlassen, sich mit Tara an dem Weggang der Mutter abzuarbeiten. Kann das Verbrechen, sich seiner Verantwortung zu entziehen und das eigenes Kind sich selbst zu überlassen, auch etwas Gutes sein? Ist es überhaupt ein Verbrechen oder vielleicht sogar ein natürliches Recht? Und ändert es die Sicht auf die Welt, wenn man verschiedene Antworten auf diese Frage gefunden hat?
Kathleen Kröger arbeitet als Freie Mitarbeiterin im Kultur: Haus Dacheröden und bei der „Erfurter Herbstlese“
Magdalena Jagelke „Ein gutes Verbrechen“
Voland & Quist, 118 Seiten, Hardcover
ISBN 987-38639121471
16,00 Euro
Das Buch kann unter diesem Link bei unserem langjährigen
Partner Hugendubel erworben werden.