Fatma Aydemir „Dschinns"

Mit „Dschinns“ ist Fatma Aydemir eine faszinierende Familiengeschichte gelungen, die nicht nur mich berührt, sondern es 2022 auch auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis geschafft hat.
Das Buch folgt der türkisch-deutschen Familie Yilmaz. Im ersten Kapitel begegnen wir Hüseyin, dem Vater von Ümit, Sevda, Peri und Hakan. Zusammen mit seiner Frau Emine bilden sie die fünf folgenden Kapitel und Perspektiven der Geschichte.

Hüseyin hat sich nach langem seinen Traum erfüllt und besitzt nun eine Wohnung in Istanbul. Seine Familie soll eine Woche nach ihm anreisen, um den Sommer in der Türkei zu verbringen. Während er über seine Vergangenheit sinniert, verspürt er auf einmal einen Stich in der Brust und erleidet einen Herzinfarkt. Hier setzten nun die folgenden Kapitel an. In jedem sehen wir den Verlauf der weiteren Geschichte und die Folgen dieser Tragödie aus den Perspektiven der unterschiedlichen Familienmitglieder. Wir blicken allerdings auch bis zu 30 Jahre in die Vergangenheit und verstehen nach und nach die Motive der einzelnen Personen. Hierbei schafft es Fatma Aydemir einen in jedem Kapitel aufs Neue in den Bann zu ziehen. Wir sympathisieren mit Personen, selbst wenn man sie in einem anderen Kapitel nicht ausstehen konnte. Gerade dieser Wechsel zwischen den Blickwinkeln zeigt, wie sehr unsere Geschichte uns formen kann und wie wichtig der Austausch untereinander ist, um bestimmte Erlebnisse in einen Kontext zu setzen.

Für mich sticht hierbei besonders die Beziehung zwischen der ältesten Tochter Sevda und Emine heraus. Auf beiden Seiten herrschen Unverständnis und tiefe Wunden, welche zum Teil wahrscheinlich nie heilen können. Letztlich hat jeder Charakter seine eigenen Probleme, Traumata und Hintergründe und doch sind alle miteinander verknüpft. Diese Familiendynamik wird eindrucksvoll und real verbildlicht. Neben Generationskonflikten und Streitigkeiten in der Familie spielen auch Themen wie Herkunft, Identität und Geschlecht eine zentrale Rolle.

Alleine die Struktur des Romans finde ich eine geniale Idee für so eine Geschichte, da sich die Handlung und Persönlichkeiten so nach und nach entfaltet. Jeder Charakter fühlt sich dreidimensional und echt an. Die Familiengeschichte an sich berührt einen zutiefst, regt zu Empathie und Reflektion an und klingt definitiv noch Tage später nach.

Vorgestellt von Hedda Püschel, ehemalige FSJlerin Kultur Erfurter Herbstlese