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Erfurter Herbstlese
Es lebe die Erfurter Herbstlese!
März 08 2014

Eine Frage der Ehre

Heimspiel für eine gebürtige Erfurterin - die Hälfte der Leute im Publikum hätten ihren Lebensweg schon mindestens einmal gekreuzt, meinte Franziska Wilhelm zu Beginn ihrer Lesung. Foto: VIADATA
Heimspiel für eine gebürtige Erfurterin - die Hälfte der Leute im Publikum hätten ihren Lebensweg schon mindestens einmal gekreuzt, meinte Franziska Wilhelm zu Beginn ihrer Lesung. Foto: VIADATA

Was haben „MacGyver“ und „Forsthaus Falkenau“, “ Praxis Bülowbogen“, „Baywatch“ und „Beverly Hills 90210“ gemeinsam. Nicht viel, außer: alle Serien flimmern mehr oder weniger zeitgleich über deutsche Fernsehbildschirme. Ende der 90er Jahre ist das, eine sehr eigene Zeit. Gerade im Osten des Landes.

Eine merkwürdige Zeit, die DDR ist noch gut erinnerlich, die Nostalgie wenig ausgeprägt. Doch die Verheißungen der Wende gehen nicht für alle auf. Die Gesellschaft spaltet sich in Gewinner und Verlierer, in die glühenden Propagandisten des Marktes und die, für die sich der Name Ewiggestrige findet. Zwischen den Extremen wächst die Zahl derer, die nur eines wollen: ihre Ruhe.

Auf diese Zeit blickt Franziska Wilhelms erster Roman zurück. Eine Familiengeschichte, die, so oder anders, überall in Mitteldeutschland spielen kann. Sparsam gesetzte, aber bestimmende Kulissen geben die Handlung vor; eine Bahnstrecke, ein Sportlerheim, eine Kleingartenanlage und ein Freibad. All das fußläufig zu erreichen, dazu, ein wenig weiter entfernt, ein aufgegebener Tagebau, der langsam, aber mit Plan absäuft. Mittendrin in Strottenheim: Milla.

Die Mitzwanzigerin lebt wie die ganze Familie in den Tag hinein. Die Glotze ist die einzige Ablenkung, und die Männer, die kommen, um sich vor den Zug zu werfen. Nicht vor einen Bummelzug, vor den ICE; das ist, so meint Milla, wohl eine Frage der Ehre. Alles geht seinen Gang, bis ein Familiengeheimnis und ein verhinderter Selbstmörder die Mittzwanzigerin zum Handeln zwingen. Es geht auf große Fahrt, Bratislava entgegen.

All das hat Franziska Wilhelm mit leichter Hand aufgeschrieben, mit Sinn für den Effekt. Im Club Franz Mehlhose findet ihr erster Roman fröhliche Zustimmung. Die Zuhörer lachen, wo es etwas zu lachen gibt. Das Düstere, was auch vorkommt im Buch, wird nicht vorgelesen.

Mit Recht. Denn düster wird es, wenn es um das dunkle Geheimnis der Familie geht. Das soll aber nicht verraten werden; so spart Franziska Wilhelm diese Passagen aus. Sie beginnt mit dem ersten Kapitel, springt dann nach vorn, um schließlich mit dem zweiten Kapitel, ihren Worten nach ihr liebstes, zu enden. Es erklärt den Titel des Romans, hier hat er seine schönsten poetischen Momente.

Dazwischen liegen eine Pause und sehr viel Spaß für Autorin und Publikum, eine Gesangseinlage mit Ukulele und ein Quiz zu den anfänglich benannten Serien inbegriffen. Es ist ein Abend der zeigt, wie lange die 90er Jahre schon zurückliegen.

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