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Erfurter Herbstlese
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Okt. 02 2013

Ausgerechnet Hyänen

War wieder einmal bei der Herbstlese zu Gast: Else Buschheuer.
War wieder einmal bei der Herbstlese zu Gast: Else Buschheuer.

Neulich rief die Mutter der Autorin an. „Else, du pinkelst aber nicht auf die Terrasse?“, fragt sie besorgt. Aber nicht doch, erwidert die Else, und erklärt: „Mutti, das ist doch Fiktion. Das ist doch Literatur!“

Das – ist das neue Buch von Else, und Else ist Else Buschheuer. Sie ist zu Gast in der Buchhandlung Hugendubel. Sie liest aus „Zungenküsse mit Hyänen“.

Ein starker Titel, keine Frage. Hyänen sind faszinierende Tiere. Einerseits irgendwie hässlich und abstoßend, als Aasfresser verschrien und in den Hochglanz-Dokus des Bildungsfernsehens eher die Loser in der Savanne, andererseits hat sie die Evolution mit einem bizarren Sozialverhalten und einer, sagen wir vorsichtig, speziellen Anatomie beschenkt. Für Details muss an dieser Stelle an die Experten Brehm und Google verwiesen werden, für uns sollte reichen: Man weiß nicht so recht, wer Männchen und wer Weibchen ist.

Wie bei Michi. Der ist der Held von Buschheuers letztem Roman. Michi zählt bereits 33 Jahre, kommt vom Land in die Stadt, und ist unentschlossen, weil unkundig, was seine sexuelle Orientierung angeht. Bei Else Buschheuer klingt das so: Er ist weder heterosexuell noch homosexuell, er ist „noch nicht erweckt“. Das soll sich, so sein Wille, in der großen Stadt ändern.

Er trifft dort auf das ganze Spektrum menschlicher Erscheinungsformen: Ob Homo oder Krüppel, Schwarzer oder Säufer, frustrierte Ehefrau oder passionierte Feministin – sie sind alle mit dabei. Da geht es drastisch zu und zur Sache, komisch und, so ist das halt im Leben, überdreht, dass man gar nicht mehr lachen möchte.

Es ist schade, und spricht eher gegen den Rezipienten denn die Schriftstellerin, dass der eigene Zensor immer wieder dazwischen kräht: Darf man darüber lachen, ist das nicht völlig inkorrekt?

Frau Buschheuer interessiert es einen Scheiß. Das ist, um im Sprachbild zu bleiben, auch gut so. Und das unerschrockene Publikum bei Hugendubel, diese Hundertschaft freundlicher Zuhörer, lacht sich langsam frei. Je später der Abend, desto wärmer das Gelächter. Das ist ein Verdienst der Autorin, noch mehr aber – der Vorleserin.

Frau Buschheuer ist Vollprofi. Sie hängt nicht am Text, sondern schiebt gerne etwas zwischen die eigenen Zeilen. Etwa, wenn sich im Buch Frau Puvogel beklagt, wie sie nur an Herrn Puvogel geraten konnte; alle hätte sie haben können: den Chef der Sparkasse und den des Mercedes-Autohauses, den Oberbürgermeister und den Direktor der JVA und – da muss Frau Buschheuer selbst über ihre Textuntreue lachen – den Chef der Hugendubel-Filiale.

Aus den avisierten 60 Minuten Lesung werden fast anderthalb Stunden. Ganz zu Beginn hatte Else Buschheuer von einer Schreibblockade erzählt, der sie mit Hilfe einer professionellen Schreibblockadenenthemmerin zu entgehen suchte. Die Dame reiste aus dem Norden an, veranstaltete eine Menge Zirkus knapp am Voodoo vorbei und entschwand mit 600 Euro Honorar. Die Blockade allerdings blieb. Diese Geschichte werde sie bestimmt literarisch verarbeiten, kündigt Else Buschheuer an.

Ihr Erfurter Publikum freut sich schon darauf.

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