Prosa und ein wenig Lyrik im Erfurter Stadtgarten
Reden ist Silber, Zuhören ist Goldt

Von Friederike Zimmermann
Ich komme in den Saal geschlichen. Die Veranstaltung hat bereits begonnen. Es ist voll. Dem Beispiel einiger anderer Zuschauer folgend, nehme ich einen Stuhl aus dem Vorraum mit und positioniere mich mit ihm neben der Tür. Dem Inhalt der Geschichte kann ich noch nicht folgen, aber die sanfte, dennoch fesselnde Stimme Max Goldts macht es mir leicht zuzuhören.
Max Goldt hat das Publikum, mich eingeschlossen, von Anfang an auf seiner Seite. Die heitere Stimmung verlässt bis zum letzten Wort nicht den Raum.
Seine humoristischen Geschichten erzählen vordergründig von alltäglichen Begebenheiten, die bei näherer Betrachtung viel zu kurios und überspitzt wirken, als dass sie wirklich Alltag sein könnten. Jede Geschichte wird von einem Erzählstrang dominiert, zu dem sich hin und wieder eine Nebengeschichte gesellt, um von der Haupthandlung abzulenken, doch nach jeder Pointe erklärt sich das Erzählte von selbst.
Ab und an erinnern mich seine Geschichten, mit der kleinen Moral am Ende, an Tierfabeln, nur, dass seine Protagonisten Menschen sind – die sich allerdings manches Mal wie Tiere benehmen. Dann werden Goldts Texte bissiger und auch zynischer, doch zwischen all dem Gelächter hört man den sozialkritischen Unterton kaum heraus. Das nennt man dann wohl gelungene Satire.
Die Geschichten wirken wie szenenhafte Bilder, die in schriftliche Form transkribiert wurden.
Auch nach der 20minütigen Pause kann Herr Goldt die Stimmung mit Leichtigkeit wieder aufgreifen. Jeder Text wird mit Applaus belohnt, auch den einen oder anderen Zwischenapplaus heimst der Autor ein; wenn er von Plattenbesitzern redet, denen es egal ist, „wie eure dicken Kinder heißen“, und er so auf die überall blühenden Baby-on-board-Sticker mit kuriosen Namensgebungen auf Autoheckscheiben anspielt. Oder wenn Max Goldt von der Todestranssexualität männlicher Leichen erzählt, die unter dem Artikel „die“ leiden.
Bevor sich der Autor seiner Zugabe widmen kann, schwappt ein nicht enden wollender Applaus durch den Saal. Hat Max Goldt den Großteil der Zeit Prosa vorgetragen, so schweift er nun in lyrische Gefilde ab. Hier beweist der Autor ein weiteres Mal die Bandbreite seines Könnens.
Doch wie er selbst zum Ende des Abends hin meint: „Taktische Bescheidenheit – alter Trick.“
Unsere Autorin Friederike Zimmermann absolviert gerade ihr Freiwilliges Soziales Jahr Kultur in der Geschäftsstelle der Erfurter Herbstlese. Sie ist 24 Jahre alt.
Max Goldt im Stadtgarten
Fotos: Holger John