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Erfurter Herbstlese
Es lebe die Erfurter Herbstlese!
Okt. 15 2016

Die Schauspielerin Elena Uhlig macht mit „Mein Gewicht und ich“ im Atrium der Stadtwerke eine ziemlich gute Figur

Frauenabend ohne Smoothies

(Fast) Unter sich: Elena Uhlig machte den anderen Frauen im Atrium Spaß und Mut.
(Fast) Unter sich: Elena Uhlig machte den anderen Frauen im Atrium Spaß und Mut.

Von Sigurd Schwager

Mein Gewicht und ich. Davon kann jeder von uns ohne Ende erzählen. Komödien, Dramödien und vor allem Tragödien. Jeder? Nun gut: Jede! Wir Männer sind da eher . . . Ach lassen wir das!

Die Schauspielerin Elena Uhlig, bekannt aus vielen Filmen und Fernsehserien, hat aus keiner Not eine Tugend in Buchgestalt gemacht, das Werk „Mein Gewicht und ich“ genannt und mit dem hübschen Untertitel „Eine Liebesgeschichte in großen Portionen“ versehen.  Aber Vorsicht: Bitte nicht vom etwas ungeschickten Buchcover auf die falsche Spur lenken lassen! Es ist kein Diätratgeber, sondern das glatte Gegenteil.

Vereinfacht und auf den kürzesten Nenner gebracht lautet Elena Uhligs Botschaft wider den Schlankheits- und Fitnesswahn:  Wir sollten sein, wie wir sind. Die 41-jährige Schauspielerin und Mutter von drei Kindern (wer so gut aussieht, dessen Alter darf man ruhig verraten) hat ihre eigenen Figur-Erfahrungen in einem lebensfrohen Text zusammengefasst und diesen zwischen Einleitung und Epilog mit Abspann gut portioniert: Leben. Leiden. Lieben. Suchen. Finden. Ankommen.

So heißen die einzelnen Lesegänge, die appetitlich humorvoll serviert werden. Wem das Wort nicht genügt, für den hält das Buch auch noch sehr ansehnliche Fotos sowie Illustrationen bereit.

Das Ganze ist, man wundert sich nicht wirklich, ein Bestseller geworden. Und man wundert sich noch weniger über den Andrang bei Lesungen. Zur Erfurter Herbstlese erweist sich ein Ortswechsel von der Buchhandlung in das viel geräumigere Atrium der Stadtwerke als unumgänglich.

Wenn man sich im Publikum umschaut, dann sind es gefühlte 98,7 Prozent Frauen, darunter übrigens nicht wenige schlanke. Elena Uhlig, die – wie man später im Verlauf des Abends immer wieder erleben kann – mit einem unbändig fröhlichen Temperament ausgestattet ist, schaut vergnügt in die Weite des dichtgefüllten Atriums und sagt: „Die Männer bitte Hände hoch und mal aufstehen!“ Sie blickt auf das sehr übersichtliche Ergebnis, vermutlich meistens Partnerin-Chauffeure, und lobt: Dass seien so viele wie noch nie auf ihrer Lesereise.

Dann beginnt die mit dem Begriff Lesung nur unzulänglich beschriebene Herbstlese-Veranstaltung.  Elena Uhlig liest, unterbricht sich, erzählt, kommuniziert mit Witz und vollem Körpereinsatz. Ein interaktiver Spaß mit ernsthaftem Hintergrund. Man merkt schon bald: Hier schreibt und spricht keine verkrampfte Ideologin, die Argumente für einen gesunden Lebensstil mit Verachtung straft.  Vielmehr macht sie eine gute Figur als Mutmacherin für Frauen. die sich dem Schönheitsideal des sog. Zeitgeistes nicht unterwerfen wollen.

Große Zustimmungsheiterkeit erzielt sie lesend in Erfurt, um nur ein Beispiel zu nennen, mit ihrem grünen Giftcocktail: der neueste Trend und mindestens genauso absurd wie das gängige Schönheitsideal, dem sie vollkommen fassungslos gegenüberstehe, sei der Smoothie. „Mit Smoothie meine ich diese grüne Algen-Sauerkraut-Ampfer-Sellerie-Paste, durch den Entsafter gejagt, im Mixer geshakt und im Plastik-to-go-Becher serviert . . . Da haben wir für die Umwelt ja richtig was getan . . . Und vor allem möchte ich nein sagen dürfen zu grünem Brennnessel-Ampfer-Fenchel-Apfel-Spaß. Und auch zu Tomaten-Blumenkohl-Kohlrabiblätter-Spaß. Ebenso weckt Kopfsalat-Chicorée-Karotte oder Meeralgen-Tofu-Koriandergrün in mir keine Begierde, sondern Abstoßungsprozesse.“

Natürlich handelt der Abend nicht nur von Kulinarischem. Es geht um des Alltags Lust und Last, um Beruf und Familie, um Liebe und Partnerschaft. Über ihren Partner und Schauspielerkollegen Fritz Karl stehen in hoffnungsgrüner Schrift folgende zwei Sätze gleich am Beginn des Buches: „Ich widme dieses Buch meiner großen Liebe Fritz Karl, der die Hoffnung nicht aufgibt, dass ich noch mal eine Gazelle werde. Und ich finde, es ist gut, Träume zu haben . . ."

Gern und mit liebevollem Spott erzählt sie von ihrem Fritz und erfreut alle Damen im Atrium zudem mit der Ankündigung, dass sie ihr zweites Buch über Männer schreiben werden.  Titel?  „Ja, es gab andere Männer vor Dir“ klingt schon mal nicht schlecht.

Wie immer darf nach der Lesung auch gefragt werden, und sogar Männer trauen sich das. Doch die berührendste Wortmeldung kommt von einer jungen Frau und ist keine Frage: „Es hat mir sehr geholfen, heute hier zu sein.“ Langer, herzlicher Beifall für Elena Uhlig und ihren Auftritt – und noch längere Schlangen beim Signieren.

Übrigens: Die köstlichen Brückentrüffel, die jeder Autor erhält, hat sie bei aller Genussfreudigkeit nicht angerührt. Die werde sie daheim in Oberösterreich mit ihrem Fritz teilen.  Und wenn sie dann noch von Erfurt schwärmt, darf man begründet hoffen, dass Elena Uhlig und Fritz Karl demnächst gemeinsam das Herbstlese-Publikum erfreuen könnten.

Elena Uhlig im Atrium der Stadtwerke

Fotos: Holger John

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