Philipp Ruch erklärt die Ansprüche des „Zentrums für politische Schönheit“
Aktionskunst im Sinne von Schlingensief
Von Karsten Jauch (*)
Kaum wird der Ort Bornhagen genannt, da gibt es schon den ersten Beifall. Philipp Ruch, der Leiter des „Zentrums für politische Schönheit“, ist mit einer Aktion in der Eichsfeld-Gemeinde bundesweit bekannt geworden. Im November 2017 hatte die Künstlergruppe auf dem Nachbargrundstück des AfD-Politikers Björn Höcke eine Nachbildung des Berliner Holocaust-Mahnmals aufgebaut, um gegen Höckes Bemerkung von einem „Denkmal der Schande“ zu protestieren. Er ist der Mann mit dem Ruß im Gesicht, der nahezu konspirativ diese Aktion vorbereitet hat.
Als Gast der Erfurter Herbstlese im ausverkauften Haus Dacheröden kam er am Freitagabend nicht an dieser Aktion vorbei und stellte in einem stellenweise sehr ironischen Gespräch mit Henry Bernhard, Thüringer Landeskorrespondent des Deutschlandradios, erstmals die künstlerischen Erwägungen der Aktion in Bornhagen vor. „Wir sind nicht der Verfassungsschutz Thüringens, sondern der zivilgesellschaftliche Verfassungsschutz“, sagte Ruch, und führte aus: „Es ging uns darum zu zeigen, dass der Verfassungsschutz keinen Finger rührt.“ Erfolgreich sei die Aktion in Bornhagen nicht gewesen. „Wir sind mit allen Projekten gescheitert“, räumte der promovierte Philosoph ein, der mit dem „Zentrum für politische Schönheit“ seit mehr als zehn Jahren Aktionskunst umsetzt. In Bornhagen wollte Ruch erreichen, dass sich Björn Höcke niederkniet und um Vergebung bitten sollte.
Philipp Ruch nennt derartige Kunstformen „aggressiven Humanismus“. „Natürlich reizen wir die Kunstfreiheit aus, wie kein anderer“, sagte er. Bisher „haben uns die Gerichte immer recht gegeben“. Auch die umstrittenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Gera wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung sind eingestellt worden. Und ja, in Bornhagen steht das Denkmal noch. Aktionskunst soll nicht ein einzelnes Vorgehen bleiben. „Die Reaktion darauf ist integrativer Bestandteil der Aktionskunst“, erklärt Ruch, dessen künstlerischer Leitstern der im Jahre 2010 verstorbene Christoph Schlingensief ist: „Schlingensief hat uns die Tür aufgestoßen.“
Auch in seinem im August erschienen Buch „Schluss mit der Geduld“, das er als einen Debattenbeitrag bezeichnet, setzt sich Philipp Ruch mit der Politik der AfD auseinander. „Die AfD ist ein Wolf im Parteienpelz und eigentlich eine rechtsextreme Bewegung“, sagte Ruch und las Passagen seines Buches.
Anhand von Aufsätzen in der „Weltbühne“ aus dem Jahre 1932 hat er darin ein Worst-Case-Szenario der Gegenwart entworfen. Demnach bereiten rechtsextreme Umstürzler, größtenteils bereits in AfD-Amt-und-Würden, einen Staatsstreich vor, indem sie einen „Bürgerkriegsapparat“ etablierten. Als Beispiel führte er den Aufmarsch in Chemnitz im vergangenen Jahr an. „Gewalt erzeugt ihre eigene Legitimität“, sagte Philipp Ruch und gibt dem Konservatismus in Deutschland eine Mitschuld, dies sei „der größte Gefahrenherd der Demokratie“. Seine Konsequenz: „Wir brauchen kompromisslose Demokraten“.
(*) Dieser Beitrag erschien zum ersten Mal in der „Thüringer Allgemeine“ vom 14. Oktober 2019.