Peter Stamm begeistert sein Publikum in der Buchhandlung Hugendubel
Alles. Nichts weniger

Von Birgit Kummer
Stammgast. Das Wort bekommt eine doppelte Bedeutung bei dem Autor, der am 10. November Gast der Herbstlese war. Peter Stamm.
Bereits zum vierten Mal hatte ihn das Team der Herbstlese eingeladen. Stets las er vor ausverkauftem Haus. Diesmal brachte er in die Buchhandlung Hugendubel seinen neuen Roman „Weit über das Land“ mit, die Geschichte eines unangekündigten Verschwindens. Hier finden die Literaturfreunde das, was sie stets an diesem Autor schätzen: eine präzise Sprache mit unaufgeregten Beschreibungen, die es schafft, Neugier und Erwartung auf einem konstant hohen Level zu halten.
Ein Glas Wein eröffnet den Roman, auch Stamm hatte den Rotwein bei Hugendubel neben sich auf dem Tisch. Sein Protagonist Thomas verlässt ohne Vorplanung und ohne Vorankündigung „das Gravitationsfeld des Dorfes“ bei Zürich, in dem die Familie lebt, und nimmt „mit einem erstaunten Lächeln“ einen anderen Weg. Ausgestattet mit Taschentuch, Kreditkarte, Schlüsselbund und wenigen anderen Utensilien, geht er weg aus dem Alltag von Mutter, Vater, Kindern. Und jeder muss sehen, wie er damit zurechtkommt . . .
Peter Stamm zieht die Zuhörer hinein in die Geschichte um Thomas, Astrid und die Kinder Konrad und Ella, indem er wechselnde Perspektiven einnimmt. Er zieht seine Erzählung über einen Zeitraum von vielen Jahren und webt in Thomas‘ Reise durch die Welt Naturerfahrung und Sinnsuche ein, Begegnungen mit vielen verschiedenen Menschen und mit sich selbst. Die Biografie seiner Familie indes nimmt einen anderen Weg, ist aber geprägt von der Suche nach ihm.
Kommt Thomas zurück zu Astrid? „Das können Sie lesen wie Sie wollen“, meinte der Autor, der dem Erfurter Publikum einige Kostproben aus seinem Buch gab und dann Fragen beantwortete. Wer liebt wen mehr? Soll man gehen, wenn es am schönsten ist? Kann man dadurch die Zeit anhalten und das Gute an einer Beziehung bewahren? Wie definiert sich Schuld, wie Verantwortung?
Im Lesergespräch über Familiengeschichten nahm er auch Bezug auf Isabel Allendes „Geisterhaus“, dessen Inhalt er so zusammenfasste: „Es geht um alles.“
Nichts weniger möchte er auch mit seinem Buch erreichen – das Nachdenken über das große Ganze und den Einzelnen darin.
Zum Abschluss gab es wie immer Brückentrüffel, und Stamm, selbst Vater von zwei Kindern, bekannte: „Diese Trüffel werde ich ganz alleine aufessen.“
Peter Stamm bei Hugendubel
Fotos: Holger John