Claudia und Nadja Beinert im Nerly
Ein steinernes Buch

Schon fast jeder hat von Uta aus Naumburg gehört. Nicht wenige Mädchen, wohl aber noch mehr Frauen, sind nach dem – so heißt es – schönsten Gesicht des Mittelalters benannt. Dabei ist über die historische Namensträgerin herzlich wenig bekannt.
Ein wenig hat sich das im vorigen Herbst geändert, als die Zwillingsschwestern Claudia und Nadja Beinert bei Knaur Taschenbuch „Die Herrin der Kathedrale“ vorlegten. Damit schrieben sie sich sofort in die Herzen der Fans historischer Romane, blickt Lektorin Christine Steffen-Reiman im Nerly zurück. Kein Platz ist freigeblieben bei der Vorstellung des zweiten Teils der Mittelalter-Saga, denn nach dem ersten Buch, so die Verlagsfrau, blieb bei den meisten Lesern, die in erster Linie Leserinnen sind, nur ein Wunsch: bitte mehr davon.
Diesem sind die Schwestern nur zu gern nachgekommen. „Die Kathedrale der Ewigkeit“ soll vor allem eine Frage klären: Hat die Liebe von Uta, der Markgräfin, zu ihrem Schwager, Hermann von Naumburg, Bestand. Wird Ekkehard, der Gatte, seine Frau freigeben?
Die Lesung besteht aus vier Text-Passagen, die von Erläuterungen der Autorinnen zum historischen Kontext und ihrer Arbeitsweise abgelöst werden. Letztere ist, wie beim ersten Buch, die bewährte Abfolge. Die Schwestern schmieden zuerst einen Plot, stellen die Recherche fertig, ehe es an das eigentliche Schreiben geht. Erst sitzt die eine über dem Text, dann die andere, gegenseitig wird sich kritisiert und am Text gefeilt. Im Ergebnis, da sind sich die zwei ganz sicher, könne kein Außenstehender mehr sagen, wer der beiden welche Szene zu Papier gebracht hat.
Neben der Liebe von Hermann und Uta steht auch im zweiten Roman ein Kunstwerk im Zentrum des Geschehens. War es in Teil 1 die Kathedrale an sich, widmen sich Claudia und Nadja Beinert dieses Mal den Fresken des Gotteshauses. Sie entstanden in den Jahren 1038 und 39 und geben der Geschichte ihren zeitlichen Rahmen. Im Erzählen der Autorinnen wird deutlich, wie sehr sie die romanische Bildsprache, die Technik und das Handwerk bei ihren Recherchen berührten. Nicht zuletzt, weil nur noch wenige Zeugnisse dieser Kunst zu bestaunen sind.
Nicht weniger begeistern sie sich für das aufklärerische Moment, für das diese Bilder stehen. In einer Zeit, in der außer wenigen Vertretern des Klerus, des Adels und der Kaufmannschaft kaum ein Normalsterblicher Lesen und Schreiben konnte, nahmen diese Bilder, so sehen es die Autorinnen, die viel spätere Wirkung der Bibelübersetzung vorweg. Uta drückt das im Roman, im Gespräch mit ihrer Freundin Erna, der Frau des Burgkochs Arnold, so aus: „Wir malen hier drinnen ein Buch, das jeder lesen kann! Es wird ein steinernes Buch werden.“
Doch allein diese Begeisterung kann keine vergnügte Lektüre tragen. Bei den Schwestern klingt das dann so: „Die historischen Fakten, die es gibt, die halten wir ein. Wir nehmen das, was da ist“. Soll heißen, danach beginnt die Welt der Imagination. Auch hier sind die Autorinnen zu Hause. Sie spinnen um die Historie eine Geschichte aus Liebe und Verrat, die spannend ist, berührt und manchmal auch ein wenig gruselt. Bei so viel Qualität ist am Ende der Lesung dann auch eine Frage nicht überraschend: Wie wird es weitergehen?
In der Tat, der dritte Teil ist in Arbeit. Er soll den Abschluss bringen. Auch ein künstlerisches Leitmotiv ist bereits gefunden. Es geht um den Meister von Naumburg, diesen unbekannten Künstler, den Mythos, der die Stifterfiguren des Naumburger Doms schuf. Ohne seine geschickten Hände wüssten wir nichts vom schönsten Gesicht des Mittelalters.
Das sollte Nadja und Claudia Beinert wohl einen Roman wert sein. Ihre Leserschaft wird es freuen.
Claudia und Nadja Beinert im Café Nerly
Fotos: Holger John