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Erfurter Herbstlese
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Nov. 18 2014

Sabine Bode im Haus Dacheröden

Ganz viel Optimismus

Bei Sabine Bodes im Haus Dacheröden bleib kein Stuhl im Bürgersaal frei.
Bei Sabine Bodes im Haus Dacheröden bleib kein Stuhl im Bürgersaal frei.

Der Abend ist eine kleine Herbstlese-Premiere. Zum ersten Mal beteiligt sich die Thüringer Ehrenamtsstiftung am literarischen Festival. Man sei froh, die Lesung von „Frieden schließen mit Demenz“ der Kölner Autorin Sabine Bode unterstützen zu können, sagt der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Dr. Volker Düssel, zur Begrüßung des Publikums. Gerade bei der Betreuung dementer Menschen kommt dem Ehrenamt eine große Bedeutung zu. Der Würdigung dieses Engagements hat sich seine Stiftung verschrieben.

In der Tat, Sabine Bodes Buch würdigt die Arbeit vieler Freiwilliger. Im Kern möchte sie aber noch etwas weiter gehen. Die ganze Gesellschaft darf sich nicht länger dem Thema verweigern. Wenn alle erst aktiv werden, wenn sie, ihre Familie oder ihre Freunde mit dem Thema persönlich konfrontiert werden, dann ist es auf lange Sicht für alle zu spät.

In ihrem Buch geht es um einfache Dinge – etwa, wie soll man sich verhalten, wenn ein Nachbar immer verwirrter wird – und um die komplizierten. Da zuerst, wie bereitet man sich auf solchen einen Schlag des Schicksals vor.

Aber ist er das wirklich. Oder übertreiben wir es mit unserer Angst vor der Demenz, will sagen, mit der Furcht vor dem Alter? Sabine Bode sieht deutliche Anzeichen dafür. Als Maßstab dienen dabei die Nachbarn der Deutschen. Schweizer oder Holländer haben längst einen ganz anderen Bezug zu der Krankheit gefunden, den Skandinaviern wird nachgesagt, es damit viel lockerer anzugehen.

Könnten das die Deutschen auch? Die Autorin meint ja. Sie müssten sich nur aus der Angst vor der Demenz befreien. Sie in die Mitte der Gesellschaft, des Lebens holen. Für den Umgang mit ihr die nötigen Finanzmittel bereitstellen. Kurz, Frieden schließen mit der Demenz.

Spätestens beim Geld geht ein Murmeln durch den dicht gefüllten Saal. Doch Sabine Bode gibt in diesem Punkt nicht nach. Schon oft habe sie erlebet, wie Ideen zunächst als Spinnerei abgetan wurden, wo es beständig hieß, dafür gibt es kein Geld. Als Beispiel nennt sie den Umgang der Gesellschaft mit Aids. Oder die Energiewende.

Da gibt es ja auch noch genug Ärger, mag mancher im Saal denken. Betreuungsverhältnisse wie im gepriesenen Schweizer Pflegeheim, wo drei Patienten auf einen Pfleger kommen – wer soll das bezahlen, murmelt es erneut im Saal. Sie kenne niemanden in der Branche, der mit den Zuständen in Deutschland zufrieden ist, erwidert Sabine Bode. Kein Gesundheitspolitiker und kein Heimleiter, keine Pflegerin, von den Angehörigen ganz zu schweigen – alle wissen, dass es so nicht weitergeht. Die Zeit für Korrekturen ist überreif. Das Land, meint die Autorin, braucht eine neue Bürgerbewegung.

Ob die so schnell kommen mag? Zweifel sind nicht völlig unangebracht. Doch in Sabine Bodes Buch geht es ja nicht nur um diesen ganz großen Wurf. An vielen Beispielen zeigt sie, wie schon mit kleinen Dingen vieles erreicht werden kann. Mit Ehrlichkeit zum Beispiel, und mit ungewöhnlichen Ideen und Projekten. Zwei stellt sie genauer vor: Eine Clownin, Rosa, die es vermag, den Alten wieder ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Dann erzählt sie noch von einem Theater-Projekt, das Demente in die Aufführung integriert. Durchaus zwei Erfolgsgeschichten.

Nicht von ungefähr sind es kulturelle Projekte. Es ist das Schöne, es ist die Kunst, die bewegt – und so etwas bewegen kann. Ein Rezensent habe ihr zu viel Optimismus in ihrem Buch vorgeworfen, sagt Sabine Bode. Optimismus, da zumindest hat er genau hingeschaut, hat es reichlich.

Sabine Bode im Haus Dacheröden

Fotos: VIADATA

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