Olaf Hintze und Susanne Krones bei Hugendubel
Spuren eines Lebens

Olaf Hintze, Jahrgang 1964, wuchs im Norden Erfurts, im Rieth, auf, und lernte Nachrichtentechniker. Er sieht alles noch vor sich, erzählt er bei seiner Buchvorstellung in der Buchhandlung Hugendubel: das Funkamt, wo er lernte, später sein Arbeitsplatz im Hauptpostamt, die Pergamentergasse, überhaupt die ganze Altstadt, die zum Teil abgerissen und durch die ein brachialer Stadtring geführt werden sollte. Diese Pläne konnte die SED gottlob nicht durchsetzen, und die schöne Erfurter Altstadt blieb erhalten. „Tonspur“ ist auch ein Erfurt-Buch, eine kleine Reise in die 70er und 80er Jahre.
Olaf Hintze bleibt im Gespräch mit Susanne Krones zunächst in der Zeit Ende der 80er Jahre. Für ihn eine Phase zunehmender Desillusionierung, denn er hatte kaum noch Hoffnung, den ersehnten Studienplatz zu bekommen. Dazu hätte er in die SED eintreten müssen, was er auf keinen Fall wollte. Auch seine große Leidenschaft für Musik und Literatur führte ihm immer wieder schmerzhaft Grenzen vor Augen: Bücher und Platten, die ihn brennend interessierten, gab es nicht in der DDR – oder sie waren nur über komplizierte Umwege zu beschaffen.
Er, der während seiner Armeezeit die Welt der Bücher für sich entdeckt hatte, namentlich ein Buch, „Die Welt von gestern“ von Stefan Zweig, das ihm eine Zeit lang zum Lebensbuch wurde, hatte zunehmend das Gefühl: „Ich kann hier nicht mein Leben leben, das ist nicht mehr mein Land, ich muss weg.“
Daraus entwickelte sich dann sein Fluchtplan, in den er nur seine Eltern und seine Geschwister einweihte. Und auch sie wussten letztlich nicht genau, ob er seinen Sommerurlaub 1989 wirklich für die Flucht nutzen oder doch wieder zurückkehren würde. Sein erster Versuch, vom ungarischen Sopron aus, das direkt an Österreich grenzt, die Grenze zu überwinden, scheiterte an einer ungarischen Militärkontrolle, die ihn aber nicht inhaftierte, sondern einfach nur nach Sopron zurückfuhr. Im zweiten Anlauf gelingt es dann - eine eindringliche Stelle im Buch, die Susanne Krones vorträgt.
Für Olaf Hintze begann in München ein ganz anderes, neues Leben, das anfangs für ihn wie im Rausch ablief: Er musste beruflich Fuß fassen, holte an der Abendschule das Abitur nach, aber vor allem besuchte er unendlich viele Kulturveranstaltungen, manchmal sogar zwei oder drei an einem Tag. Ein großer Karton mit Eintrittskarten, der heute noch in seinem Besitz ist, bezeugt dieses Verlangen, alles nachzuholen, was ihm in der DDR nicht zugänglich war.
Olaf Hintze und Susanne Krones haben die „Tonspur“ bei der Herbstlese im Gespräch, und im Gespräch ist dieses Buch auch entstanden. Olaf Hintze hat sich der Mühsal der Erinnerung mit all ihren Tücken gestellt, und Susanne Krones, Autorin und Lektorin, hat seine Lebensgeschichte aufgeschrieben, sie in die Form einer Erzählung gebracht. Beide arbeiteten sich durch eine große Menge von Dokumenten, Fotos, Kassetten, oder anders gesagt: durch die Ton- und Textspur des Lebens des Erfurters Olaf Hintze.
Susannes Krones und Olaf Hintze bei Hugendubel
Fotos: Holger John | VIADATA