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Erfurter Herbstlese
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Mai 20 2015

Starkes Finale einer starken Erfurter Frühlingslese 2015: Alexander Osang stellt seinen Roman „Comeback“ vor

Almost Famous trifft Gunter Gabriel

Alexander Osang vor der Lesung bei Hugendubel.
Alexander Osang vor der Lesung bei Hugendubel.

Von Sigurd  Schwager

Der Kreis schließt sich. Wir erinnern uns noch gern an den Prolog der Frühlingslese 2015, den Lutz Seiler, geboren in Gera und heute einer der bedeutendsten Dichter unseres Landes, im Winter in Erfurt mit seinem fulminanten Romandebüt bestritt. Darin ist sein titelstiftender Protagonist „Kruso“ ein literarischer Wiedergänger von Aljoscha Rompe (1947-2000), dem Sänger der DDR-Punkband „Feeling B“.

Nun also, 4 Monate, 37 Veranstaltungen und 5 500 Besucher später, endet die Frühlingslese bei Hugendubel auf dem Erfurter Anger mit dem preisüberhäuften Journalisten Alexander Osang, der seinen neuen, seinen vierten Roman vorstellt. „Comeback“ handelt von einer fiktiven Rockband, gegründet in den 80ern in der DDR. Auch hier treffen sich Literatur und Realität. Der Autor selbst formuliert es so: „Dieses Buch erzählt weder die Geschichte von Silly noch die von Pankow. Aber es wäre ohne diese beiden Bands nicht möglich gewesen.“

So wie diese  Erfurter Lesereihe nicht ermöglicht worden wäre ohne jenen Mann, dem der Abend traditionell zum Ausklang der Frühlingslese erinnernd gewidmet ist: Michael John, dem im Mai vor vier Jahren verstorbenen  Herbstlese-Impressario. Er bleibt unvergessen. Seine Familie sitzt in der ersten Reihe und stimmt Herbstlese-Chef Dirk Löhr zu, dass diese Veranstaltung mit Alexander Osang dem Menschen-, Bücher- und Rockmusikfreund Michael John viel Freude bereitet hätte.

Stones-Fan Osang, Jahrgang 1962, erzählt in seinem melancholisch grundierten Roman die 30jährige Geschichte der Ostberliner Rockgruppe „Steine“. Das geschieht aus der Sicht der Bandmitglieder und auf wechselnden Zeitebenen. Gerade diese markante Episodik ist eine Stärke des Autors.

Es gehe ihm hier, sagt Osang, wie in all seinen Romanen letztlich um Liebe und Verrat, um Schuld, um Abschied und Anfang und darum, sich treu zu bleiben.

Osang liest aus drei Kapiteln. Er beginnt mit Frontfrau Nora, die kurz nach dem Mauerfall in die neue Welt aufbricht, und im bitterkalten Januar 1990 New York besucht. Es werden Tage der Ernüchterung. Man leidet mit Nora und merkt beim Zuhören, wie gut der Autor die Stadt kennt, schließlich hat er hier acht Jahre gelebt – und vor allem wie sehr er sie liebt.

Dann wechselt Alexander Osang beim Vorlesen in den November 2012. In diesem Kapitel begleitet die „Stern“-Journalistin Carola Jürgensen die Steine bei ihrer Tour durch den Osten Deutschlands, die ein Comeback werden soll. Am Ende, sinniert die Journalistin, muss die Geschichte in einen Satz passen: Almost Famous trifft Gunter Gabriel. In Jena trifft die als Ostberliner Legende angekündigten Band auf die triste Wirklichkeit. Klubchef Thorsten verkündet sie: „Gute Nachrichten. Wir werden sicher dreistellig.“ In Gera sind es dann 250 Zuschauer. In Zeitz 240.

Osang wechselt wieder die Zeit, nimmt die Zuhörer mit zurück in den Mai 2003. Wir erleben den Bassgitarristen Paul und seine Ex-Frau Stefanie auf einem Elternabend, wo sie unter anderem erfahren, dass ihre Tochter Emma Gras raucht. Es wird dies der heiterste Teil des schönen Abends, den der Autor seinem jetzt oft und gern kichernden Publikum beschert.

Leider nicht gelesen hat Osang aus dem Kapitel „Über Bord“, in dem uns Schlagzeuger Axel, genannt Acki, im März 1987 begegnet. Alexander Osang zitiert dabei mehrfach eine berühmte Szene aus Sergio Leones Jahrhundertfilm „Es war einmal in Amerika“:  „Was hast du all die Jahre getan, fragt Fatty seinen Jugendfreund Noodles, der als alter Mann nach New York zurückkehrt, um die letzte Rechnung zu begleichen. Ich bin früh schlafen gegangen, sagt Noodles."

Was hast du all die Jahre getan? Ich bin früh schlafen gegangen.

Hier hat man das ganz Buch gefasst in zwei Sätze.

Und überhaupt: Wenn man es liest, wandert man auch immer wieder durch das große Film- und ein Rocklexikon. Kaum ein bedeutender Name fehlt. Von Pete Best bis zum Fußball-Rocker George Best.

Am Ende viel Beifall für Alexander Osang. Und für die Frühlingslese 2015 insgesamt. Für Brussig, Ebert, Schwarz, Gysi, Schorlemmer, Schütt, Scherzer, Ramelow, Köhlmeier, Lüders, Steinbrück, Annel, Martin, Unger und all die anderen. Nicht zu vergessen: der 1. Erfurter Diary Slam.

Und weil nach der Frühlingslese vor der Herbstlese ist, verrät Dirk Löhr schon mal, dass bereits fünf Termine im großen Saal des Erfurter Theaters für den Herbst 2015 fest gebucht sind.

Dort trifft man dann den bücherkritischen Dauergast, den schauspielernden Sohn eines noblen Bundeskanzlers und . . . Lassen Sie sich überraschen!

Alexander Osang bei Hugendubel

Fotos: Holger John

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